Friedrich von Bodenstedt – Gedichte

Friedrich von Bodenstedt (1819 – 1892):
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Sammle dich zu jeglichem Geschäfte,
Nie zersplittre deine Kräfte!
Teilnahmsvoll erschließe Herz und Sinn,
Daß du freundlich andern dich verbindest –
Doch nur da gib dich ganz hin,
Wo du ganz dich wiederfindest.


Ein schönes Alter ist des Lebens Krone;
Nur dem, der sie verdient, wird sie zum Lohne!
Wer lange trug des Daseins schwere Bürde
Und alt sein Haupt noch aufrecht hält mit Würde,
Gibt dadurch Zeugnis, daß er seinem Leben
Von Jugend auf den rechten Halt gegeben.


Frauensinn ist wohl zu beugen,
– Ist der Mann ein Mann und schlau –
Aber nicht zu überzeugen:
Logik gibt's für keine Frau;
Sie kennt keine andern Schlüsse,
Als Krämpfe, Tränen und Küsse!


Es ist ein Wahn zu glauben, daß
Unglück den Menschen besser macht.
Es hat dies ganz den Sinn, als ob
Der Rost ein scharfes Messer macht,
Der Schmutz die Reinlichkeit befördert,
Der Schlamm ein klares Gewässer macht.


Nicht alle Frauen sind Engel
(Haben Männer doch auch ihre Mängel!);
Und solche Frauen durch Vernunft zu zwingen
Wird nicht dem Weisesten gelingen:
Sie lassen lieber schmeichelnd sich betören,
Als auf die Stimme der Vernunft zu hören.


Ein treu Gedenken, lieb Erinnern,
Das ist die herrlichste der Gaben,
Die wir von Gott empfangen haben;
Das ist der goldne Zauberring,
Der auferstehen macht im Innern,
Was uns nach außen unterging.


Ein größ'res Unglück als der Tod
Der liebsten Menschen ist die Not:
Sie läßt nicht sterben und nicht leben,
Sie streift des Lebens Blüte ab,
Streift, was uns Lieblichstes gegeben,
Vom Herzen und Gemüte ab.


Nie kampflos wird dir ganz
Das Schöne im Leben geglückt sein;
Selbst Diamantenglanz
Will seiner Hülle entrückt sein;
Und windest du einen Kranz,
Will jede Blume dazu gepflückt sein.


Es hat die Rose sich beklagt,
Daß gar zu schnell der Duft vergehe,
Den ihr der Lenz gegeben habe.
Da hab ich ihr zum Trost gesagt,
Daß er durch meine Lieder wehe,
Und dort ein ewiges Leben habe.


Wer Weisheit nur aus Büchern lernt
Und selbst nicht weise denkt und lebt,
Wird immer mehr von ihr entfernt,
Je mehr er ihr zu nahen strebt.

Das Leben soll die Erde sein,
darin die Weisheit Wurzeln schlägt,
Und pflanzt ihr hier den Kern nicht ein,
Wächst auch kein Baum, der Früchte trägt.


Es hat einmal ein Tor gesagt,
Daß der Mensch zum Leiden geboren worden;
Seitdem ist dies – Gott sei's geklagt! –
Der Spruch aller gläubigen Toren worden.

Und weil die Menge aus Toren besteht,
Ist die Lust im Lande verschworen worden,
Es ist der Blick des Volkes kurz
Und lang sind seine Ohren worden.


In jedes Menschen Gesichte
steht seine Geschichte,
sein Hassen und sein Lieben
deutlich geschrieben.

Sein innerstes Wesen,
es tritt hier ans Licht –
doch nicht jeder kann's lesen,
versteh'n jeder nicht.


Willst Welt und Menschen recht verstehn,
Mußt du ins eigne Herz dir sehn.
Willst du dich selbst recht kennenlernen,
Mußt du dich aus dir selbst entfernen.

Wer sich beurteilt nur nach sich,
Gelangt zu falschen Schlüssen…
Du selbst erkennst so wenig dich,
Als du dich selbst kannst küssen.


Es ist leicht, eine kluge Grimasse zu schneiden
Und ein kluges Gesicht
Und gewichtig zu sagen: Dies mag ich leiden
Und jenes nicht!

Und weil ich dies leiden mag, so muß es gut sein,
Und jenes nicht –
Vor solchen Leuten mußt du auf der Hut sein
Mit deinem Gedicht!


Lieber Sterne ohne Strahlen
Als Strahlen ohne Sterne;
Lieber Kerne ohne Schalen
Als Schalen ohne Kerne;

Geld lieber ohne Taschen
Als Taschen ohne Geld;
Wein lieber ohne Flaschen
Als umgekehrt bestellt.


Schafft frohe Jugend euren Kinder,
Des Lebens Heimsuchung zu lindern;
Wer jung schon viel erfahren Gutes,
Trägt auch das Schlimmste leichten Mutes.

Doch wenn kein freundliches Erinnern
Zurückbleibt aus der Jugendzeit,
Dem fehlt der frische Trieb im Innern
Zu rechter Lebensfreudigkeit.


Soll ich lachen, soll ich klagen,
Daß die Menschen meist so dumm sind,
Stets nur Fremdes wiedersagen
und in Selbstgedachtem stumm sind!

Nein, den Schöpfer will ich preisen,
Daß die Welt so voll von Toren,
Denn sonst ginge ja der Weisen
Klugheit unbemerkt verloren.


Wenig große Lieder bleiben,
mag ihr Ruhm auch stolzer sein,
doch die kleinen Sprüche schreiben
sich ins Herz des Volkes ein;

schlagen Wurzel, treiben Blüte,
tragen Frucht und wirken fort.
Wunder wirkt oft im Gemüte
ein geweihtes Dichterwort.

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Oh, wie mir schweren Dranges
Das Herz im Leibe bebt,
Wenn sie so leichten Ganges
An mir vorüberschwebt!

Herab vom Rücken weht
Ein blendend weißer Schauer;
Durch ihre Augen geht
Ein wunderbares Feuer;
Die schwarzen Locken wühlen
Um ihres Nackens Fülle;
Der Leib, der Busen fühlen
Sich eng in ihrer Hülle.
Allüberall Bewegung,
Allüberall Entzücken,
Daß sich in toller Regung
Die Sinne mir berücken,
Daß wunderbaren Dranges
Das Herz im Leibe bebt,
Wenn sie so leichten Ganges
An mir vorüberschwebt!
Narzissen blühn und Rosen
Um himmelblauen Kleide,
Darunter flammen Hosen
Von feuerroter Seide –
Die kleinen, zarten Füße,
Die weichen, feinen Hände,
Der Mundrubin, der süße,
Der Zauber ohne Ende!

Oh, wie mir schweren Dranges
Das Herz im Leibe bebt,
Wenn sie so leichten Ganges
An mir vorüberschwebt!


Der Kampf um's Dasein

Es wandelt der Neuzeit gewaltiger Fortschritt
In oft viel Staub aufwirbelndem Wortschritt,
Wobei Mancher die kühnsten Sprünge wagt,
Ohne selbst recht zu wissen, was er sagt.

"Der Kampf um's Dasein" heißt die Phrase
Als Schlagwort der neuen Erkenntnisphase,
Und wirklich ist, wie man's erkor,
Dies Wort ein Schlag auf's deutsche Ohr,
Der das Gehör gleich wirksam dämpft
Beim Eingang zur Erkenntnispforte.
Wer hat um's Dasein je gekämpft?
In welcher Zeit? an welchem Orte ?

Bewußtlos ward es uns gegeben
Mit unserm ersten Atemzug.
Wir kämpften nur, um fortzuleben.
Und Mancher hat gar bald genug
An diesem Kampf und sucht der Zuchtwahl
Samt den Gesetzen der Vererbung
Und alles Erdenglücks Erwerbung,
Sich zu entziehn durch freie Fluchtwahl
Aus dieser Kampfeswelt, die schmerzlos
Niemand betritt und Niemand flieht,
Und wo nur glücklich ist, wer herzlos
Auf all' das Elend um sich sieht.

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Man lernt nicht fechten ohne Schwert,
Man lernt nicht reiten ohne Pferd;
Dem guten Schwimmer stärkt die Glieder
Der Strom, den schlechten reißt er nieder.


Wenn der Frühling auf die Berge steigt
Und im Sonnenstrahl der Schnee zerfließt,
Wenn das erste Grün am Baum sich zeigt
Und im Gras das erste Blümlein sprießt –
Wenn vorbei im Tal
Nun mit einem Mal
Alle Regenzeit und Winterqual,
Schallt es von den Höhn
Bis zum Tale weit:
O, wie wunderschön
Ist die Frühlingszeit!

Wenn am Gletscher heiß die Sonne leckt,
Wenn die Quelle von den Bergen springt,
Alles rings mit jungem Grün sich deckt
Und das Lustgetön der Wälder klingt –
Lüfte lind und lau
Würzt die grüne Au,
Und der Himmel lacht so rein und blau,
Schallt es von den Höh’n
Bis zum Tale weit:
O, wie wunderschön
Ist die Frühlingszeit!

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Arbeit, edle Himmelsgabe,
Zu der Menschen Heil erkoren!
Nie bleibt ohne Trost und Labe,
Wer sich deinem Dienst geschworen.

Dir entspringt der Weisen Labe,
Und dich meiden nur die Toren;
Ungestützt von deinem Stabe,
Ach, wie oft wär' ich verloren!


Höre, was der Volksmund spricht:
Wer die Wahrheit liebt, der muß
Schon sein Pferd am Zügel haben,
Wer die Wahrheit denkt, der muß
Schon den Fuß im Bügel haben,
Wer die Wahrheit spricht, der muß
Statt der Arme Flügel haben!
Und doch singt Mirza-Schaffy:
Wer da lügt, muß Prügel haben.


Ich muß dein gedenken
Ich suche durch Mühen
Meine Gedanken
Von dir zu lenken,
Aber sie glühen
Zu dir ohne Wanken,
Ich muß dein gedenken!
Wie nach der Sonne verlangen die Reben,
Verlangt mich's nach dir, meine Sonne, mein Leben!


Ein graues Auge –
ein schlaues Auge;
Auf schelmische Launen
deuten die braunen;
des Auges Bläue
bedeutet Treue,
doch eines schwarzen Augs Gefunkel
Ist stets, wie Gottes Auge, dunkel.


Es sucht der echte Weise,
Daß er das Rechte finde:
Jung wird er nicht zum Greise,
Alt wird er nicht zum Kinde!

Der Winter treibt keine Blüte,
Der Sommer treibt kein Eis –
Was früh dein Herz durchglühte,
Das ziemt dir nicht als Greis!

Jung sich enthaltsam preisen,
Alt toll von Sinnen sein,
Wird nie des wahren Weisen
Rat und Beginnen sein!


Das Leben ist ein Darlehn, keine Gabe –
Du weißt nicht, wieviel Schritt du gehst zum Grabe,
Drum nütze klug die Zeit: auf jedem Schritt
Nimm das Bewußtsein deiner Pflichten mit.
Gewöhne dich – da stets der Tod dir dräut –
Dankbar zu nehmen, was das Leben beut;
Die Wünsche nicht nach Äußerm zu gestalten,
Sondern den Kern im Innern zu entfalten;
Nicht fremder Meinung untertan zu sein,
Die Dinge nicht zu schätzen nach dem Schein;
Nicht zu verlangen, daß sie sollen gehn,
Wie wir es wünschen – sondern sie verstehn,
Daß wir uns bei Erfüllung unsrer Pflichten
(Da sie's nach uns nicht tun) nach ihnen richten.


Die Menge, schwer zu überzeugen,
Kann Beispiel oder Macht nur beugen;
Drum soll, wer lehrt, die Worte sparen
Und sich durch Handeln offenbaren.
Verhaßt sind mir die Schwätzer alle
Mit ihrer Worte hohlem Schwalle,
Verhaßt sind mir die Glaubenswütigen
Wie die Verstandesübermütigen.
– Wer nicht durch ein erfreulich Leben
Weiß guten Lehren Reiz zu geben,
Dem wäre besser, daß er schwiege;
Denn nur durch Kampf gewinnt man Siege,
Und wo sich gutes Beispiel mehrt,
Wird selbst der Zweifler leicht bekehrt.


Füllt mir das Trinkhorn!
Reicht es herum!
Trinken macht weise,
Fasten macht dumm!

Was ist das Athmen?
Ein Trinken von Luft –
Was ist das Riechen?
Ein Trinken von Duft!

Was ist ein Kuß als
Ein doppelter Trank?
Trinken macht selig,
Fasten macht krank!

Was ist das Sehen?
Ein Trinken des Scheins –
Klingt's auch verschieden,
Bleibt es doch Eins!

Füllt mir das Trinkhorn!
Reicht es herum!
Trinken macht weise,
Fasten macht dumm!


Ein Biedermann

Das ist ein deutscher Biedermann,
Voll echt biederner Treue;
Er wirft, so viel er immer kann,
Seine Perlen vor die Säue.

Vor Säue, die wie er sich froh
Von Andrer Leumund mästen –
Er denkt nicht schlecht, er spricht nur so
Zu seiner Freunde Besten.

Begegnend bleibt er freundlich stehn,
Warm mir die Hand zu drücken,
Ist immer glücklich mich zu sehn
Schmäht mich nur hinter'm Rücken.

Er selber scheint höchst tugendhaft,
Ganz ohne Fehl und Makel,
Und ist der ganzen Nachbarschaft
Untrügliches Orakel.


An das Meer

Urfrisches Bild der Jugendzeit
Im goldnen Saum der Ewigkeit,
Das du seit Schöpfungsanfang warst,
Wie du dich heut mir offenbarst!

Du sahst das Erdrund werden alt
Und sich verwandeln mannigfalt –
Auch du oft wechselst dein Gesicht,
Doch deine Seele wechselt nicht!

Du zeigst die ew'ge Schöpferkraft,
Die rastlos aus sich selber schafft,
Stets neue Lebenswellen treibt
Und immer doch die alte bleibt.

Wer deines Herzens Wogenschlag
Und Melodie ergründen mag,
Dem raunst du das Geheimnis zu
Stets jung und alt zu sein wie du!


Zur rechten Zeit erfassen,
Zur rechten Zeit verlassen
Der Stunde Glück und Gunst –
Zur rechten Zeit erfassen,
Zur rechten Zeit verlassen
Ist eine schwere Kunst!


Ich hasse das süßliche Reimgebimmel,
Das ewige Flennen von Hölle und Himmel,
Von Herzen und Schmerzen,
Von Liebe und Triebe,
Von Sonne und Wonne,
Von Lust und Brust
Und von alledem,
Was allzu verbraucht und gemein ist,
Und weil es bequem,
Allen Toren genehm,
Doch vernünftigen Menschen zur Pein ist.


Wo sich Kraft will offenbaren,
Wird sie Widerstand erfahren,
Schlechtes sucht mit Gutem Streit –
Ist sie klein, wird sie erliegen,
Ist sie groß, so wird sie siegen
Über Tücke, Haß und Neid.
Aus derselben Ackerkrume
Wächst das Unkraut wie die Blume –
Und das Unkraut macht sich breit.
Doch es raubt nichts von dem Ruhme,
Duft und Glanz der schönen Blume.

 


Die Zeit, die Deiner Schönheit Fäden spann,
Darauf entzückt sich alle Augen richten,
Wird einstmals Dir erscheinen als Tyrann,
Die holde Schöpfung unhold selbst vernichten.
Dem Sommer folgt der frost'ge Winter bald,
Umhüllt mit Schnee die Schönheit und entblättert
Die duft'ge Blume wie den grünen Wald,
Die Säfte stocken, alles steht verwettert.
Dann, bliebe nicht des Sommers Duft zurück
Gefangen in krystall'ner Mauern Innern,
Hin wäre seiner Schönheit Lust und Glück,
Wir hätten nichts, uns ihrer zu erinnern.
So aber lebt ihr süßes Wesen fort
Im Winter, wenn die Hülle auch verdorrt.


O Geist der Dichtung, göttliche Gabe, du
Deckst mit Blumen den Abgrund des Lebens zu!
Du beust Weihe der Freude und Balsam dem Schmerz,
Ziehst goldene Fäden vom Himmel ins Herz,
Auf daß schon hienieden ein Abglanz der Klarheit
Uns werde vom Urborn des Lichts und der Wahrheit.

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Such' keine Weisheit und Erfahrung
In alter Bücher Staub vertieft –
Die allerbeste Offenbarung
Ist: die aus erster Quelle trieft!


Der Kaufherr, der weithin schickt seine Waren,
Überläßt seinen Schiffern des Meeres Gefahren;
Der Taucher nach Perlen im Meeresgrunde
Schmückt sich niemals selbst mit dem kostbaren Funde;
Nicht die Gefallenen der blutigen Kriege,
Nur die noch Lebenden feiern die Siege.
Wohin ich sehe, wohin ich wandre:
Ein Opfer ist unser Leben für andre.


Ich sprach: Wer mich nicht tadelt in's Gesicht,
Macht mich in eigner Schätzung nicht geringer;
Verächtlich ist, wer als Verläumder spricht,
Doch noch verächtlicher der Hinterbringer;
Denn der Verläumder schießt den gift'gen Pfeil
Unschädlich ab, weil hinter meinem Rücken –
Der Hinterbringer nimmt ihn auf in Eil'
Und kommt, ihn freundlich mir in's Herz zu drücken.

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