Wilhelm Busch – Gedichte
Wenn wer sich wo als Lump erwiesen, So schickt man in der Regel diesen Zum Zweck moralischer Erhebung In eine andere Umgebung. Die Luft ist gut, die Lage neu, Der alte Lump ist auch dabei. | Ach, wird es mir denn niemals klar, wo ich gewesen, eh ich war? Schwamm ich, verkrümelt in Atome, gedankenlos im Wirbelstrome, bis ich am Ende mich verdichtet zu einer denkenden Person? | Die Woche im Blick! Der Mensch sieht meistens wie man spricht, im Auge seinen Balken nicht; und hält ihn auch noch – das ist bitter – im Spiegel nur für einen Splitter. |
Liebe sagt man schön und richtig, ist ein Ding, was äußerst wichtig. Nicht nur zieht man in Betracht, was man selber damit macht. Nein, man ist in solchen Sachen auch gespannt, was andre machen. | Mein lieber Sohn, du tust mir leid, dir mangelt die Enthaltsamkeit. Enthaltsamkeit ist das Vergnügen, an Sachen, welche wir nicht kriegen. Drum lebe mäßig, denke klug, wer nichts gebraucht, der hat genug. | Wer eine Erbschaft übernommen, Hat für die Schulden aufzukommen, Denn nicht umsonst ist der Genuß. Kein Leugnen gilt, kein Widerstreben, Wir müssen sterben, weil wir leben. So lautet der Gerichtsbeschluß. |
Eh man auf diese Welt gekommen Und noch so still vorlieb genommen, Da hat man noch bei nichts was bei; Man schwebt herum, ist schuldenfrei, Hat keine Uhr und keine Eile Und äußerst selten Langeweile. Allein man nimmt sich nicht in acht, Und schlupp! ist man zur Welt gebracht. | Er war ein grundgescheiter Mann, Sehr weise und hocherfahren; Er trug ein graumeliertes Haar, Dieweil er schon ziemlich bei Jahren. Er war ein abgesagter Feind Des Lachens und des Scherzens Und war doch der größte Narr am Hof Der Königin seines Herzens. | Du willst sie nie und nie mehr wiedersehen? Besinne dich, mein Herz, noch ist es Zeit. Sie war so lieb. Verzeih, was auch geschehen. Sonst nimmt dich wohl beim Wort die Ewigkeit Und zwingt dich mit Gewalt zum Weitergehen Ins öde Reich der Allvergessenheit. Du rufst und rufst; vergebens sind die Worte; Ins feste Schloß dumpfdröhnend schlägt die Pforte. |
Also spricht der Fatalist: Du mußt werden, wie du bist. Widerstreben ist vergebens. Der Gebieter allen Lebens Gab dir schon von Anbeginn Deinen Wunsch und Eigensinn, Bald mit ja und bald mit nein, Gerade so und so zu sein. | Zwar mit seinem losen Mund neigt er zur Krakeele. Dabei ist er doch im Grund einer treue Seele. Die er seine Freunde nennt, dulden seine Witze, denn ein jeder, der ihn kennt, kennt auch seine Mütze. | Was soll ich nur von eurer Liebe glauben? Was kriecht ihr immer in so dunkle Lauben? Wozu das ewge Flüstern und Gemunkel? Das scheinen höchst verdächtige Geschichten. Und selbst die besten ehelichen Pflichten, Von allem Tun die schönste Tätigkeit, In Tempeln von des Priesters Hand geweiht, Ihr hüllt sie in ein schuldbewußtes Dunkel. |
Gerne wollt ihr Gutes gönnen Unserm Goethe, unserm Schiller, Nur nicht Meier oder Müller, Die noch selber lieben können. Denn durch eure Männerleiber Geht ein Konkurrenzgetriebe Sei es Ehre, sei es Liebe; Doch dahinter stecken Weiber. | Ach, ich fühl es! Keine Tugend Ist so recht nach meinem Sinn; Stets befind ich mich am wohlsten, Wenn ich damit fertig bin. Dahingegen so ein Laster, Ja, das macht mir viel Pläsier; Und ich hab die hübschen Sachen Lieber vor als hinter mir. | Ich saß vergnüglich bei dem Wein Und schenkte eben wieder ein. Auf einmal fuhr mir in die Zeh Ein sonderbar pikantes Weh. Ich schob mein Glas sogleich beiseit Und hinkte in die Einsamkeit Und wußte, was ich nicht gewußt: Der Schmerz ist Herr, und Sklavin ist die Lust. |
Die Rose sprach zum Mägdelein: Ich muß dir ewig dankbar sein, daß du mich an den Busen drückst und mich mit deiner Huld beglückst. Das Mägdlein sprach: O Röslein mein, bild' dir nur nicht zuviel drauf ein, daß du mir Aug und Herz entzückst. Ich liebe dich, weil du mich schmückst! | Ferne Berge seh ich glühen! Unruhvoller Wandersinn! Morgen will ich weiterziehen, Weiß der Teufel, wohin? Ja, ich will mich nur bereiten, Will – was hält mich nur zurück? Nichts wie dumme Kleinigkeiten! Zum Exempel, Dein Blick! | Sie stritten sich beim Wein herum, Was das nun wieder wäre; Das mit dem Darwin wäre gar zu dumm Und wider die menschliche Ehre. Sie tranken manchen Humpen aus, Sie stolperten aus den Türen, Sie grunzten vernehmlich und kamen zu Haus Gekrochen auf allen vieren. |
Es saß in meiner Knabenzeit Ein Fräulein jung und frisch Im ausgeschnittnen grünen Kleid Mir vis-à-vis bei Tisch. Und wie's denn so mit Kindern geht, Sehr frömmig sind sie nie, Ach, dacht ich oft beim Tischgebet, Wie schön ist doch Marie! | Es wohnen die hohen Gedanken In einem hohen Haus. Ich klopfte, doch immer hieß es: Die Herrschaft fuhr eben aus! Nun klopf ich ganz bescheiden Bei kleineren Leuten an. Ein Stückel Brot, ein Groschen Ernähren auch ihren Mann. | Sehr tadelnswert ist unser Tun, Wir sind nicht brav und bieder. – Gesetzt den Fall, es käme nun Die Sintflut noch mal wieder. Das wär' ein Zappeln und Geschreck! Wir tauchten alle unter; Dann kröchen wir wieder aus dem Dreck Und wären, wie sonst, recht munter. |
Sie hat nichts und du desgleichen; Dennoch wollt ihr, wie ich sehe, Zu dem Bund der heil'gen Ehe Euch bereits die Hände reichen. Kinder, seid ihr denn bei Sinnen? Überlegt euch das Kapitel! Ohne die gehör'gen Mittel Soll man keinen Krieg beginnen. | Gerne wollt ihr Gutes gönnen Unserm Goethe, unserm Schiller, Nur nicht Meier oder Müller, Die noch selber lieben können. Denn durch eure Männerleiber Geht ein Konkurrenzgetriebe; Sei es Ehre, sei es Liebe; Doch dahinter stecken Weiber. | Obgleich die Welt ja, so zu sagen, Wohl manchmal etwas mangelhaft, Wird sie doch in den nächsten Tagen Vermutlich noch nicht abgeschafft. So lange Herz und Auge offen, Um sich am Schönen zu erfreun, So lange, darf man freudig hoffen, Wird auch die Welt vorhanden sein. |
Ich wußte, sie ist in der Küchen, Ich bin ihr leise nachgeschlichen. Ich wollt' ihr ew'ge Treue schwören Und fragen, willst du mir gehören? Auf einmal aber stutzte ich. Sie kramte zwischen dem Gewürze; Dann schneuzte sie und putzte sich Die Nase mit der Schürze. | Denkst du dieses alte Spiel Immer wieder aufzuführen? Willst du denn mein Mitgefühl Stets durch Tränen ausprobieren? Oder möchtest du vielleicht Mir des Tanzes Lust versalzen? Früher hast du's oft erreicht; Heute werd' ich weiterwalzen. | Früher, da ich unerfahren Und bescheidner war als heute, Hatten meine höchste Achtung Andre Leute. Später traf ich auf der Weide Außer mir noch mehre Kälber, Und nun schätz ich, sozusagen, Erst mich selber. |
Kennt der Kerl denn keine Gnade? Soll er uns mit seiner Suade, Durch sein breites Explizieren, Schwadronieren, Disputieren, Soll er uns denn stets genieren, Dieser säuselnde Philister, Beim Genuß des edlen Weins? Pump ihn an, und plötzlich ist er Kurz und bündig wie Glock Eins. | Buch des Lebens Haß, als minus und vergebens, Wird vom Leben abgeschrieben. Positiv im Buch des Lebens Steht verzeichnet nur das Lieben. Ob ein Minus oder Plus Uns verblieben, zeigt der Schluß. | Prinzessin: Keiner, keiner ist mir recht. Alle sind zu mir zu schlecht. Der eine zu grad, Der andre zu krumm, Der dritte zu fad, Der vierte zu dumm, Der fünfte ist mir zu klug Und der sechste nicht reich genug. |
Leider! So ists in alter Zeit gewesen, So ist es, fürcht' ich, auch noch heut. Wer nicht besonders auserlesen, Dem macht die Tugend Schwierigkeit. Aufsteigend mußt du dich bemühen, Doch ohne Mühe sinkest du. Der liebe Gott muß immer ziehen, Dem Teufel fällts von selber zu. | Selig sind die Auserwählten, Die sich liebten und vermählten; Denn sie tragen hübsche Früchte, Und so wuchert die Geschichte Sichtbarlich von Ort zu Ort. Doch die braven Junggesellen, Jungfern ohne Ehestellen, Welche ohne Leibeserben So als Blattgewächse sterben, Pflanzen sich durch Knollen fort. | Von selbst Spare deine guten Lehren Für den eigenen Genuß. Kaum auch wirst du wen bekehren, Zeigst du, wie mans machen muß. Laß ihn im Galoppe tollen, Reite ruhig deinen Trab. Ein zu ungestümes Wollen Wirft von selbst den Reiter ab. |
Armer Haushalt Weh, wer ohne rechte Mittel Sich der Poesie vermählt! Täglich dünner wird der Kittel, Und die Milch im Hause fehlt. Ängstlich schwitzend muß er sitzen, Fort ist seine Seelenruh, Und vergeblich an den Zitzen Zupft er seine magre Kuh. | So und so Zur Schenke lenkt mit Wohlbehagen Er jeden Abend seinen Schritt Und bleibt, bis daß die Lerchen schlagen. Er singt die letzte Strophe mit. Dagegen ist es zu beklagen, Daß er die Kirche nie betritt. Hier, leider, kann man niemals sagen: »Er singt die letzte Strophe mit.« | Eitelkeit Ein Töpfchen stand im Dunkeln An stillverborgener Stelle. Ha, rief es, wie wollt ich funkeln, Käm ich nur mal ins Helle. Ihm geht es wie vielen Narren. Säß einer auch hinten im Winkel, So hat er doch seinen Sparren Und seinen aparten Dünkel. |
Beschränkt Halt dein Rößlein nur im Zügel, kommst ja doch nicht allzuweit. Hinter jedem neuen Hügel dehnt sich die Unendlichkeit. Nenne niemand dumm und säumig, der das Nächste recht bedenkt. Ach, die Welt ist so geräumig, und der Kopf ist so beschränkt. | Die Schändliche Sie ist ein reizendes Geschöpfchen, Mit allen Wassern wohl gewaschen. Sie kennt die süßen Sündentöpfchen Und liebt es, häufig draus zu naschen. Da bleibt den sittlich Hochgestellten Nichts weiter übrig, als mit Freuden Auf diese Schandperson zu schelten Und sie mit Schmerzen zu beneiden. | So war's Der Teetopf war so wunderschön, Sie liebt ihn wie ihr Leben. Sie hat ihm leider aus Versehn Den Todesstoß gegeben. Was sie für Kummer da empfand, Nie wird sie es vergessen. Sie hielt die Scherben aneinand Und sprach: So hat's gesessen! |
Immerfort Das Sonnenstäubchen fern im Raume, Das Tröpfchen, das im Grase blinkt, Das dürre Blättchen, das vom Baume Im Hauch des Windes niedersinkt – Ein jedes wirkt an seinem Örtchen Still weiter, wie es muß und mag, Ja, selbst ein leises Flüsterwörtchen Klingt fort bis an den jüngsten Tag. | Seelenwanderung Wohl tausendmal schon ist er hier Gestorben und wieder geboren, Sowohl als Mensch wie auch als Tier, Mit kurzen und langen Ohren. Jetzt ist er ein armer blinder Mann, Es zittern ihm alle Glieder, Und dennoch, wenn er nur irgend kann, Kommt er noch tausendmal wieder. | Das Blut Wie ein Kranker, den das Fieber Heiß gemacht und aufgeregt, Sich herüber und hinüber Auf die andre Seite legt – So die Welt. Vor Haß und Hader Hat sie niemals noch geruht. Immerfort durch jede Ader Tobt das alte Sünderblut. |
Ungenügend Sei es freundlich, sei es böse, Meist genügend klar und scharf Klingt des Mundes Wortgetöse Für den täglichen Bedarf. Doch die Höchstgefühle heischen Ihren ganz besondern Klang; Dann sagt grunzen oder kreischen Mehr als Rede und Gesang. | Oben und unten Daß der Kopf die Welt beherrsche, wär' zu wünschen und zu loben. Längst vor Gründen wär' die närr'sche Gaukelei in Nichts verstoben. Aber wurzelhaft natürlich, herrscht der Magen nebst Genossen, und so treibt, was unwillkürlich, täglich tausend neue Sprossen. | Auch er Rührend schöne Herzgeschichten, Die ihm vor der Seele schweben, Weiß der Dichter zu berichten. Wovon aber soll er leben? Was er fein zusammenharkte, Sauber eingebundne Werklein, Führt er eben auch zum Markte, Wie der Bauer seine Ferklein. |
Vergeblich Schon recht. Du willst als Philosoph Die Wahrheit dir gewinnen; Du machst mit Worten ihr den Hof, Um so sie einzuspinnen. Nur sage nicht, daß zwischen dir Und ihr schon alles richtig. Sie ist und bleibt, das wissen wir, Jungfräulich, keusch und züchtig. | Unbillig Nahmst du in diesem großen Haus Nicht selbst Quartier? Mißfällt es dir, so zieh doch aus. Wer hält dich hier? Und schimpfe auf die Welt, mein Sohn, Nicht gar zu laut. Eh du geboren, hast du schon Mit dran gebaut. | Vielleicht Sage nie: Dann soll's geschehen! Öffne dir ein Hinterpförtchen Durch "Vielleicht", das nette Wörtchen, Oder sag: Ich will mal sehen! Denk an des Geschickes Walten. Wie die Schiffer auf den Plänen Ihrer Fahrten stets erwähnen: Wind und Wetter vorbehalten! |
Modern »Hinweg mit diesen alten Herrn, Sie sind zu nichts mehr nütz!« So rufen sie und nähmen gern Das Erbe in Besitz. Wie andre Erben, die in Not, Vergeblich warten sie. Der alte reiche Hoffetot, Der stirbt bekanntlich nie. | Reue Die Tugend will nicht immer passen, im ganzen läßt sie etwas kalt und daß man eine unterlassen, vergißt man bald. Doch schmerzlich denkt manch alter Knaster, der von vergangnen Zeiten träumt, an die Gelegenheit zum Laster, die er versäumt. | Niemals Wonach du sehnlich ausgeschaut, Es wurde dir beschieden. Du triumphierst und jubelst laut: Jetzt hab ich endlich Frieden! Ach, Freundchen, rede nicht so wild, Bezähme deine Zunge! Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt, Kriegt augenblicklich Junge. |
Tröstlich Die Lehre von der Wiederkehr Ist zweifelhaften Sinns. Es fragt sich sehr, ob man nachher Noch sagen kann: Ich bin's. Allein was tut's, wenn mit der Zeit Sich ändert die Gestalt? Die Fähigkeit zu Lust und Leid Vergeht wohl nicht so bald. | Bis auf weiters Das Messer blitzt, die Schweine schrein, Man muß sie halt benutzen, Denn jeder denkt: »Wozu das Schwein, Wenn wir es nicht verputzen?« Und jeder schmunzelt, jeder nagt Nach Art der Kannibalen, Bis man dereinst »Pfui Teufel!« sagt Zum Schinken aus Westfalen. | Wie üblich Suche nicht apart zu scheinen, Wandle auf betretnen Wegen. Meinst du, was die andern meinen, Kommt man freundlich dir entgegen. Mancher auf dem Seitensteige Hat sich im Gebüsch verloren, Und da schlugen ihm die Zweige Links und rechts um seine Ohren. |
Ärgerlich Aus der Mühle schaut der Müller, Der so gerne mahlen will. Stiller wird der Wind und stiller, Und die Mühle stehet still. So gehts immer, wie ich finde, Rief der Müller voller Zorn. Hat man Korn, so fehlts am Winde, Hat man Wind, so fehlt das Korn. | Pst Es gibt ja leider Sachen und Geschichten, Die reizend und pikant, Nur werden sie von Tanten und von Nichten Niemals genannt. Verehrter Freund, so sei denn nicht vermessen, Sei zart und schweig auch du! Bedenk. Man liebt den Käse wohl – indessen, Man deckt ihn zu. | Zu Neujahr Will das Glück nach seinem Sinn Dir was Gutes schenken, Sage Dank und nimm es hin Ohne viel Bedenken. Jede Gabe sei begrüßt, Doch vor allen Dingen: Das, worum du dich bemühst, Möge dir gelingen. |
Künftig O komm herbei, du goldne Zeit, Wenn alle, die jetzt bummeln, In schöner Unparteilichkeit Sich bei der Arbeit tummeln. Der Lärm, womit der Musikant Uns stört, wird dann geringer. Wer Dünger fuhr, wer Garben band, Dem krümmen sich die Finger. | Nicht beeidigt Willst du gelobt sein, so verzichte Auf kindlich blödes Wesen. Entschließ dich, deine himmlischen Gedichte Den Leuten vorzulesen. Die Welt ist höflich und gesellig, Und eh man dich beleidigt, Sagt wohl ein jeder leicht, was dir gefällig, Denn keiner ist beeidigt. | Schein und Sein Mein Kind, es sind allhier die Dinge, Gleichwohl, ob große, ob geringe, Im wesentlichen so verpackt, Daß man sie nicht wie Nüsse knackt. Wie wolltest du dich unterwinden, Kurzweg die Menschen zu ergründen. Du kennst sie nur von außenwärts. Du siehst die Weste, nicht das Herz. |
Gut und Böse Tugend will, man soll sie holen, Ungern ist sie gegenwärtig; Laster ist auch unbefohlen Dienstbereit und fix und fertig. Gute Tiere, spricht der Weise, Mußt du züchten, mußt du kaufen; Doch die Ratten und die Mäuse Kommen ganz von selbst gelaufen. | Unbequem Ernst und dringend folgt mir eine Mahnung nach auf Schritt und Tritt: Sorge nicht nur für das Deine, Sondern für das andre mit. Demnach soll ich unterlassen, Was mir von Natur genehm, Um das Gute zu erfassen? Ei, das ist mal unbequem. | Vielleicht Sage nie: Dann soll's geschehen! Öffne dir ein Hinterpförtchen Durch »Vielleicht«, das nette Wörtchen, Oder sag: Ich will mal sehen! Denk an des Geschickes Walten. Wie die Schiffer auf den Plänen Ihrer Fahrten stets erwähnen: Wind und Wetter vorbehalten! |
Laß ihn Er ist verliebt, laß ihn gewähren, Bekümmre dich um dein Pläsier, Und kommst du gar, ihn zu bekehren, Wirft er dich sicher vor die Tür. Mit Gründen ist da nichts zu machen. Was einer mag, ist seine Sach, Denn kurz gesagt: In Herzenssachen Geht jeder seiner Nase nach. | Reue Die Tugend will nicht immer passen, Im ganzen läßt sie etwas kalt, Und daß man eine unterlassen, Vergißt man bald. Doch schmerzlich denkt manch alter Knaster, Der von vergangnen Zeiten träumt, An die Gelegenheit zum Laster, Die er versäumt. | Versäumt Zur Arbeit ist kein Bub geschaffen, Das Lernen findet er nicht schön; Er möchte träumen, möchte gaffen Und Vogelnester suchen gehn. Er liebt es, lang im Bett zu liegen. Und wie es halt im Leben geht: Grad zu den frühen Morgenzügen Kommt man am leichtesten zu spät. |
Rechthaber Seine Meinung ist die rechte, wenn er spricht, müßt ihr verstummen, sonst erklärt er euch für Schlechte oder nennt euch gar die Dummen. Leider sind dergleichen Strolche keine seltene Erscheinung. Wer nicht taub ist, meidet solche Ritter von der eignen Meinung! | Wassermuhmen In dem See die Wassermuhmen wollen ihr Vergnügen haben, fangen Mädchen sich und Knaben, machen Frösche draus und Blumen. Wie die Blümlein zärtlich knicksen, wie die Frösche zärtlich quaken, wie sie flüstern, wie sie schnaken, so was freut die alten Nixen. | Gedrungen Schnell wachsende Keime Welken geschwinde; Zu lange Bäume Brechen im Winde. Schätz nach der Länge Nicht das Entsprungne! Fest im Gedränge Steht das Gedrungne. |
Hoch verehr ich ohne Frage Dieses gute Frauenzimmer. Seit dem segensreichen Tage, Da ich sie zuerst erblickt, Hat mich immer hoch entzückt Ihre rosenfrische Jugend, Ihre Sittsamkeit und Tugend Und die herrlichen Talente. Aber dennoch denk ich immer, Daß es auch nicht schaden könnte, Wäre sie ein bissel schlimmer. | Wenn ich dereinst ganz alt und schwach, Und 's ist mal ein milder Sommertag, So hink' ich wohl aus dem kleinen Haus Bis unter den Lindenbaum hinaus. Da setz' ich mich denn im Sonnenschein Einsam und still auf die Bank von Stein, Denk' an vergangene Zeiten zurücke Und schreibe mit meiner alten Krücke Und mit der alten zitternden Hand Bertha So vor mir in den Sand. | Selbstgefällig Mein Büdelein Is noch so tlein, Is noch so dumm Ein ames Wum, Muß tille liegen In seine Wiegen Und hat noch keine Hos'. Ätsch, ätsch! Und ich bin schon so goß. |
Des Lebens Freuden sind vergänglich. Das Hühnerauge bleibt empfänglich, wie dies sich äußert, ist bekannt, krumm wird das Bein und krumm die Hand. Die Augenlider schließen sich, das linke ganz absonderlich. Dagegen öffnet sich der Mund, als wollt er flöten, spitz und rund. Zwar hilft so eine Angstgebärde nicht viel zur Linderung der Beschwerde. Doch ist sie nötig jederzeit zu des Beschauers Heiterkeit. | Mich wurmt es, wenn ich nur dran denke. Es saß zu München in der Schenke Ein Protz mit dunkelroter Nase Beim elften oder zwölften Glase. Da schlich sich kümmerlich heran Ein armer alter Bettelmann, Zog vor dem Protzen seinen Hut Und fleht: »Gnä' Herr, ach sein S' so gut!« Der Protz jedoch, fuchsteufelswild, Statt was zu geben, flucht und schilt: »Gehst 'raus, du alter Lump, du schlechter!« Nix möcht' er als grad saufen, möcht' er! | Es kam ein Lump mir in die Quer Und hielt den alten Felbel her. Obschon er noch gesund und stark, Warf ich ihm dennoch eine Mark Recht freundlich in den Hut hinein. Der Kerl schien Philosoph zu sein. Er sprach mit ernstem Bocksgesicht: »Mein Herr, Sie sehn, ich danke nicht. Das Danken bin ich nicht gewohnt. Ich nehme an, Sie sind gescheit Und fühlen sich genug belohnt Durch Ihre Eitelkeit.« |
Stammbuchvers (1) Wenn man sich einander kennet Und sich Freund und Freundin nennet, Reißt des Schicksals Donnerwort Uns aus unsern Armen fort. Doch, obschon dies zu beklagen, Muß man nicht sogleich verzagen, Denn der Freundschaft lange Hand Reicht bis durch den Zollverband. | Stammbuchvers (2) Wo du bist und wo ich sei, Ferneweg und nahebei – Überall und auch indessen Werd' ich deiner nicht vergessen. Dein gedenk' ich, still erfreut, Selbsten in der Einsamkeit – Ja, im dicksten Publikum Schwebt mein Geist um dich herum. | Wenn mir mal ein Malheur passiert Wenn mir mal ein Malheur passiert, Ich weiß, so bist du sehr gerührt. Du denkst, es wäre doch fatal, Passierte dir das auch einmal. Doch weil das böse Schmerzensding Zum Glück an dir vorüber ging, So ist die Sache anderseits Für dich nicht ohne allen Reiz. Du merkst, daß die Bedaurerei So eine Art von Wonne sei. |
Die erste alte Tante sprach: wir müssen nun auch dran denken, Was wir zu ihrem Namenstag Dem guten Sophiechen schenken. Drauf sprach die zweite Tante kühn: Ich schlage vor, wir entscheiden Uns für ein Kleid in Erbsengrün, Das mag Sophiechen nicht leiden. Der dritten Tante war das recht: Ja, sprach sie, mit gelben Ranken! Ich weiß, sie ärgert sich nicht schlecht Und muß sich noch bedanken. | Es sprach der Fritz zu dem Papa: Was sie nur wieder hat? Noch gestern sagte mir Mama: Du fährst mit in die Stadt. Ich hatte mich schon so gefreut Und war so voll Pläsier. Nun soll ich doch nicht mit, denn heut, Da heißt es: Fritz bleibt hier! Der Vater saß im Sorgensitz. Er sagte ernst und still: Trau Langhals nicht, mein lieber Fritz, Der hustet, wann er will! | Als er noch krause Locken trug, War alles ihm zu dumm, Stolziert daher und trank und schlug Sich mit den Leuten herum. Die hübschen Weiber schienen ihm Ein recht beliebtes Spiel; An Seraphim und Cherubim Glaubt er nicht sonderlich viel. Jetzt glaubt er, was der Pater glaubt, Blickt nur noch niederwärts, Hat etwas Haar am Hinterhaupt Und ein verprömmeltes Herz. |
Strebst du nach des Himmels Freude Und du weißt's nicht anzufassen, Sieh nur, was die andern Leute Mit Vergnügen liegen lassen. Dicke Steine, altes Eisen Und mit Sand gefüllte Säcke Sind den meisten, welche reisen, Ein entbehrliches Gepäcke. Laß sie laufen, laß sie rennen; Nimm, was bleibt, zu deinem Teile. Nur was sie dir herzlich gönnen, Dient zu deinem ew'gen Heile. | Laß doch das ew'ge Fragen, Verehrter alter Freund. Ich will von selbst schon sagen, Was mir vonnöten scheint. Du sagst vielleicht dagegen: Man fragt doch wohl einmal. Gewiß! Nur allerwegen Ist mir's nicht ganz egal. Bei deinem Fragestellen Hat eines mich frappiert: Du fragst so gern nach Fällen, Wobei ich mich blamiert. | Wirklich, er war unentbehrlich! Überall, wo was geschah Zu dem Wohle der Gemeinde, Er war tätig, er war da. Schützenfest, Kasinobälle, Pferderennen, Preisgericht, Liedertafel, Spritzenprobe, Ohne ihn da ging es nicht. Ohne ihn war nichts zu machen, Keine Stunde hatt' er frei. Gestern, als sie ihn begruben, War er richtig auch dabei. |
Seid mir nur nicht gar so traurig, Daß die schöne Zeit entflieht, Daß die Welle kühl und schaurig Uns in ihre Wirbel zieht; Daß des Herzens süße Regung, Daß der Liebe Hochgenuß, Jene himmlische Bewegung, Sich zur Ruh begeben muß. Laßt uns lieben, singen, trinken, Und wir pfeifen auf die Zeit; Selbst ein leises Augenwinken Zuckt durch alle Ewigkeit. | Gestern war in meiner Mütze Mir mal wieder was nicht recht; Die Natur schien mir nichts nütze Und der Mensch erbärmlich schlecht. Meine Ehgemahlin hab' ich Ganz gehörig angeblärrt, Drauf aus purem Zorn begab ich Mich ins Symphoniekonzert. Doch auch dies war nicht so labend, Wie ich eigentlich gedacht, Weil man da den ganzen Abend Wieder mal Musik gemacht. | Also hat es dir gefallen Hier in dieser schönen Welt; So daß das Vondannenwallen Dir nicht sonderlich gefällt. Laß dich das doch nicht verdrießen. Wenn du wirklich willst und meinst, Wirst du wieder aufersprießen; Nur nicht ganz genau wie einst. Aber, Alter, das bedenke, Daß es hier doch manches gibt, Zum Exempel Gicht und Ränke, Was im ganzen unbeliebt. |
Die Selbstkritik hat viel für sich. Gesetzt den Fall, ich tadle mich, So hab' ich erstens den Gewinn, Daß ich so hübsch bescheiden bin; Zum zweiten denken sich die Leut, Der Mann ist lauter Redlichkeit; Auch schnapp' ich drittens diesen Bissen Vorweg den andern Kritiküssen; Und viertens hoff' ich außerdem Auf Widerspruch, der mir genehm. So kommt es denn zuletzt heraus, Daß ich ein ganz famoses Haus. | Da kommt mir eben so ein Freund mit einem großen Zwicker. ei, ruft er, Freundchen, wie mir scheint, sie werden immer dicker. Ja, ja, man weiß oft selbst nicht wie, so kommt man in die Jahre; Pardon, mein Schatz, hier haben Sie schon eins, zwei graue Haare! – Hinaus, verdammter Kritikus, sonst schmeiß ich dich in Scherben. Du Schlingel willst mir den Genuß der Gegenwart verderben! | Wärst du wirklich so ein rechter Und wahrhaftiger Asket, So ein Welt- und Kostverächter, Der bis an die Wurzel geht; Dem des Goldes freundlich Blinken, Dem die Liebe eine Last, Der das Essen und das Trinken, Der des Ruhmes Kränze haßt – Das Gekratze und Gejucke, Aller Jammer hörte auf; Kracks! Mit einem einz'gen Rucke Hemmtest du den Weltenlauf. |
Er stellt sich vor sein Spiegelglas Und arrangiert noch dies und das. Er dreht hinaus des Bartes Spitzen, Sieht zu, wie seine Ringe blitzen, Probiert auch mal, wie sich das macht, Wenn er so herzgewinnend lacht, Übt seines Auges Zauberkraft, Legt die Krawatte musterhaft, Wirft einen süßen Scheideblick Auf sein geliebtes Bild zurück, Geht dann hinaus zur Promenade, Umschwebt vom Dufte der Pomade, Und ärgert sich als wie ein Stint, Daß andre Leute eitel sind. | Sahst du das wunderbare Bild von Brouwer? Es zieht dich an wie ein Magnet. Du lächelst wohl, derweil ein Schreckensschauer Durch deine Wirbelsäule geht. Ein kühler Doktor öffnet einem Manne Die Schwäre hinten im Genick; Daneben steht ein Weib mit einer Kanne, Vertieft in dieses Mißgeschick. Ja, alter Freund, wir haben unsre Schwäre Meist hinten. Und voll Seelenruh Drückt sie ein andrer auf. Es rinnt die Zähre, Und fremde Leute sehen zu. | Glückspilz Geboren ward er ohne Wehen Bei Leuten, die mit Geld versehen. Er schwänzt die Schule, lernt nicht viel, Hat Glück bei Weibern und im Spiel, Nimmt eine Frau sich, eine schöne, Erzeugt mit ihr zwei kluge Söhne, Hat Appetit, kriegt einen Bauch, Und einen Orden kriegt er auch, Und stirbt, nachdem er aufgespeichert Ein paar Milliönchen, hochbetagt; Obgleich ein jeder weiß und sagt: Er war mit Dummerjahn geräuchert! |
An die Mutter O du, die mir die Liebste war, Du schläfst nun schon so manches Jahr. So manches Jahr, da ich allein, Du gutes Herz, gedenk ich dein. Gedenk ich dein, von Nacht umhüllt, So tritt zu mir dein treues Bild. Dein treues Bild, was ich auch tu, Es winkt mir ab, es winkt mir zu. Und scheint mein Wort dir gar zu kühn, Nicht gut mein Tun, Du hast mir einst so oft verziehn, Verzeih auch nun. | Rotkehlchen auf dem Zweige hupft, wipp, wipp! hat sich ein Beerlein abgezupft, knipp, knipp! läßt sich zum klaren Bach hernieder, tunkt's Schnäblein ein und hebt sich wieder, stipp stipp, nipp nipp! und schwingt sich wieder in den Flieder. Es singt und piepst ganz allerliebst, zipp zipp, zipp zipp trill! sich eine Abendmelodie, steckts Köpfchen dann ins Federkleid und schlummert bis zur Morgenzeit. | Die Liebe war nicht geringe. Sie wurden ordentlich blaß; Sie sagten sich tausend Dinge Und wußten noch immer was. Sie mußten sich lange quälen, Doch schließlich kam's dazu, Daß sie sich konnten vermählen. Jetzt haben die Seelen Ruh. Bei eines Strumpfes Bereitung Sitzt sie im Morgenhabit; Er liest in der Kölnischen Zeitung Und teilt ihr das Nötige mit. |
Sei ein braver Biedermann, Fange tüchtig an zu loben! Und du wirst von uns sodann Gerne mit emporgehoben. Wie, du ziehst ein schiefes Maul? Willst nicht das dich andre adeln? Na, dann sei mir ja nicht faul Und verlege dich aufs Tadeln. Gelt, das ist ein Hochgenuß, schwebst du so mit Wohlgefallen als ein selger Kritikus Hoch erhaben über allen. | Das Bild des Manns in nackter Jugendkraft, So stolz in Ruhe und bewegt so edel, Wohl ist's ein Anblick, der Bewundrung schafft; Drum Licht herbei! Und merke dir's, o Schädel! Jedoch ein Weib, ein unverhülltes Weib Da wird dir's doch ganz anders, alter Junge. Bewundrung zieht sich durch den ganzen Leib Und greift mit Wonneschreck an Herz und Lunge. Und plötzlich jagt das losgelaßne Blut Durch alle Gassen wie die Feuerreiter. Der ganze Kerl ist eine helle Glut; Er sieht nichts mehr und tappt nur noch so weiter. | Es sitzt ein Vogel auf dem Leim, Er flattert sehr und kann nicht heim. Ein schwarzer Kater schleicht herzu, Die Krallen scharf, die Augen gluh. Am Baum hinauf und immer höher Kommt er dem armen Vogel näher. Der Vogel denkt: Weil das so ist Und weil mich doch der Kater frißt, So will ich keine Zeit verlieren, Will noch ein wenig quinquilieren Und lustig pfeifen wie zuvor. Der Vogel, scheint mir, hat Humor. |
Wiedergeburt Wer nicht will, wird nie zunichte, kehrt beständig wieder heim. Frisch herauf zum alten Lichte dringt der neue Lebenskeim. Keiner fürchte zu versinken, der ins tiefe Dunkel fährt. Tausend Möglichkeiten winken ihm, der gerne wiederkehrt. Dennoch seh ich dich erbeben, eh du in die Urne langst. Weil dir bange vor dem Leben, hast du vor dem Tode Angst. | Mein kleinster Fehler ist der Neid. – Aufrichtigkeit, Bescheidenheit, Dienstfertigkeit und Frömmigkeit, Obschon es herrlich schöne Gaben, Die gönn' ich allen, die sie haben. Nur, wenn ich sehe, daß der Schlechte Das kriegt, was ich gern selber möchte; Nur wenn ich leider in der Nähe So viele böse Menschen sehe, Und wenn ich dann so oft bemerke, Wie sie durch sittenlose Werke Den lasterhaften Leib ergötzen, Das freilich tut mich tief verletzen. Sonst, wie gesagt, bin ich hienieden Gottlobunddank so recht zufrieden. | Schreckhaft Nachdem er am Sonntagmorgen Vor seinem Spiegel gestanden, Verschwanden die letzten Sorgen Und Zweifel, die noch vorhanden. Er wurde so verwegen, Daß er nicht länger schwankte. Er schrieb ihr. Sie dagegen Erwidert: Nein! Sie dankte. Der Schreck, den er da hatte, Hätt' ihn fast umgeschmissen, Als hätt' ihn eine Ratte Plötzlich ins Herz gebissen. |
Es flog einmal ein muntres Fliegel Zu einem vollen Honigtiegel. Da tunkt es mit Zufriedenheit Den Rüssel in die Süßigkeit. Nachdem es dann genug geschleckt, Hat es die Flügel ausgestreckt Und möchte sich nach oben schwingen. Allein das Bein im Honigseim Sitzt fest als wie in Vogelleim. Nun fängt das Fliegel an zu singen: Ach, lieber Himmel, mach mich frei Aus dieser süßen Sklaverei! Ein Freund von mir, der dieses sah, Der seufzte tief und rief: Ja, ja! | Es saß ein Fuchs im Walde tief. Da schrieb ihm der Bauer einen Brief: So und so, und er sollte nur kommen, 's wär' alles verzieh'n, was übelgenommen. Der Hahn, die Hühner und Gänse ließen Ihn alle zusammen auch vielmals grüßen. Und wann ihn denn erwarten sollte Sein guter, treuer Krischan Bolte. Drauf schrieb der Fuchs mit Gänseblut: Kann nicht gut. Meine Alte mal wieder Gekommen nieder! Im übrigen von ganzer Seele: Dein Fuchs in der Höhle. | Im Sommer In Sommerbäder Reist jetzt ein jeder Und lebt famos. Der arme Dokter, Zu Hause hockt er Patientenlos. Von Winterszenen, Von schrecklich schönen, Träumt sein Gemüt, Wenn, Dank ihr Götter, Bei Hundewetter Sein Weizen blüht. |
Der Knoten Als ich in den Jugendtagen noch ohne Grübelei, da meint ich mit Behagen, mein Denken wäre frei. Seitdem hab ich die Stirne Oft auf die Hand gestützt Und fand, daß im Gehirne Ein harter Knoten sitzt. Mein Stolz, der wurde kleiner, ich merkte mit Verdruß: Es kann doch unsereiner nur denken wie er muß. | So nicht Ums Paradies ging eine Mauer Hübsch hoch vom besten Marmelstein. Der Kain, als ein Bub, ein schlauer, Denkt sich: Ich komme doch hinein. Er stieg hinauf zu diesem Zwecke An einer Leiter mäuschenstumm. Da schlich der Teufel um die Ecke Und stieß ihn samt der Leiter um. Der Vater Adam, der's gesehen, Sprach, während er ihn liegenließ: »Du Schlingel! Dir ist recht geschehen. So kommt man nicht ins Paradies.« | Der fremde Hund Was fällt da im Boskettgesträuch Dem fremden Hunde ein? Geht man vorbei, so bellt er gleich Und scheint wie toll zu sein. Der Gärtner holt die Flinte her. Es knallt im Augenblick. Der arme Hund, getroffen schwer, Wankt ins Gebüsch zurück. Vier kleine Hündchen liegen hier Nackt, blind und unbewußt. Sie saugen emsig alle vier An einer toten Brust. |
Der Schadenfrohe Ein Dornstrauch stand im Wiesental An einer Stiege, welche schmal, Und ging vorüber irgendwer, Den griff er an und kratzte er. Ein Lämmlein kam dahergehupft. Das hat er ebenfalls gerupft. Es sieht ihn traurig an und spricht: »Du brauchst doch meine Wolle nicht, Und niemals tat ich dir ein Leid. Weshalb zerrupfst du denn mein Kleid? Es tut mir weh und ist auch schad.« »Ei«, rief der Freche, »darum grad!« | Verzeihlich Er ist ein Dichter; also eitel. Und, bitte, nehmt es ihm nicht krumm, Zieht er aus seinem Lügenbeutel So allerlei Brimborium. Juwelen, Gold und stolze Namen, Ein hohes Schloß, im Mondenschein Und schöne, höchstverliebte Damen, Dies alles nennt der Dichter sein. Indessen ist ein enges Stübchen Sein ungeheizter Aufenthalt. Er hat kein Geld, er hat kein Liebchen, Und seine Füße werden kalt. | Zauberschwestern Zwiefach sind die Phantasien, Sind ein Zauberschwesternpaar, Sie erscheinen, singen, fliehen Wesenlos und wunderbar. Eine ist die himmelblaue, Die uns froh entgegenlacht; Doch die andre ist die graue, Welche angst und bange macht. Jene singt von lauter Rosen, Singt von Liebe und Genuß; Diese stürzt den Hoffnungslosen Von der Brücke in den Fluß. |
Bös und gut Wie kam ich nur aus jenem Frieden Ins Weltgetös? Was einst vereint, hat sich geschieden, Und das ist bös. Nun bin ich nicht geneigt zum Geben, Nun heißt es: Nimm! Ja, ich muß töten, um zu leben, Und das ist schlimm. Doch eine Sehnsucht blieb zurücke, Die niemals ruht. Sie zieht mich heim zum alten Glücke, Und das ist gut. | Nicht artig Man ist ja von Natur kein Engel, vielmehr ein Welt- und Menschenkind, und ringsumher ist ein Gedrängel von solchen, die dasselbe sind. In diesem Reich geborner Flegel, Wer könnte sich des Lebens freun, Würd' es versäumt, schon früh die Regel Der Rücksicht kräftig einzubläun. Es saust der Stock, es schwirrt die Rute. Du darfst nicht zeigen, was du bist. Wie schad, o Mensch, daß dir das Gute Im Grunde so zuwider ist! | Höchste Instanz Was er liebt, ist keinem fraglich; Triumphierend und behaglich Nimmt es seine Seele ein Und befiehlt: So soll es sein. Suche nie, wo dies geschehen, Widersprechend vorzugehen, Sintemalen im Gemüt Schon die höchste Macht entschied. Ungestört in ihren Lauben Laß die Liebe, laß den Glauben, Der, wenn man es recht ermißt, Auch nur lauter Liebe ist. |
Wanderlust Die Zeit, sie orgelt emsig weiter, Sein Liedchen singt dir jeder Tag, Vermischt mit Tönen, die nicht heiter, Wo keiner was von hören mag. Sie klingen fort. Und mit den Jahren Wird draus ein voller Singverein. Es ist, um aus der Haut zu fahren. Du möchtest gern wo anders sein. Nun gut. Du mußt ja doch verreisen. So fülle denn den Wanderschlauch. Vielleicht vernimmst du neue Weisen, Und Hühneraugen kriegst du auch. | Abschied Die Bäume hören auf zu blühn, Mein Schatz will in die Fremde ziehn; Mein Schatz der sprach ein bittres Wort: Du bleibst nun hier, aber ich muß fort. Leb wohl, mein Schatz, ich bleib dir treu, Wo du auch bist, wo ich auch sei. Bei Regen und bei Sonnenschein, So lang ich lebe, gedenk ich dein. So lang ich lebe, lieb ich dich, Und wenn ich sterbe, bet für mich, Und wenn du kommst zu meinem Grab, So denk, daß ich dich geliebet hab. | Noch zwei? Durch das Feld ging die Familie, Als mit glückbegabter Hand Sanft errötend Frau Ottilie Eine Doppelähre fand. Was die alte Sage kündet, Hat sich öfter schon bewährt: Dem, der solche Ähren findet, Wird ein Doppelglück beschert. Vater Franz blickt scheu zur Seite. Zwei zu fünf das wäre viel. Kinder, sprach er, aber heute Ist es ungewöhnlich schwül. |
An einen Autographensammler Muß man sich schon wieder plagen? Also wieder ein Gedicht? Soll ich wagen, nein zu sagen? – Nein, ich bin kein Bösewicht! Dehne dich, Poetenleder! Werde flüssig, alter Leim! Sieh, schon tröpfelt aus der Feder Der mit Angst gesuchte Reim! Und so zeig' ich mit Vergnügen Mich als einen netten Herrn. – Ach, mitunter muß man lügen, Und mitunter lügt man gern! | Die Unbeliebte »Habt ihr denn wirklich keinen Schimmer Von Angst, daß ihr noch ruhig schlaft? Wird denn in dieser Welt nicht immer Das Leben mit dem Tod bestraft? Ihr lebt vergnügt trotz dem Verhängnis, Das näher stets und näher zieht. So stiehlt der Dieb, dem das Gefängnis Und später gar der Galgen blüht.« »Hör auf«, entgegnet frech die Jugend, »Du altes Jammerinstrument! Man merkt es gleich, du bist die Tugend, Die keinem sein Vergnügen gönnt.« | Geschmacksache Dies für den und das für jenen. Viele Tische sind gedeckt. Keine Zunge soll verhöhnen, Was der andern Zunge schmeckt. Lasse jedem seine Freuden, Gönn ihm, daß er sich erquickt, Wenn er sittsam und bescheiden Auf den eignen Teller blickt. Wenn jedoch bei deinem Tisch er Unverschämt dich neckt und stört, Dann so gib ihm einen Wischer, Daß er merkt, was sich gehört. |
Die alte Sorge: Er kriegte Geld, die Sorge wich, die ihn bisher beklommen. er hat die Jungfer Fröhlich sich zu seinem Schatz genommen. Sie tranken Wein, sie aßen fein, sie sangen zum Klaviere; doch wie sie sich so recht erfreun, da klopft es an die Türe. Die alte Sorge war's, o weh, die magerste der Sorgen. sie setzte sich ins Kanapee und wünschte Guten Morgen. | Befriedigt Gehorchen wird jeder mit Genuß den Frauen, den hochgeschätzten, hingegen machen uns meist Verdruß die sonstigen Vorgesetzten. Nur wenn ein kleines Mißgeschick betrifft den Treiber und Leiter, dann fühlt man für den Augenblick sich sehr befriedigt und heiter. Als neulich am Sonntag der Herr Pastor eine peinliche Pause machte, weil er den Faden der Rede verlor, da duckt' sich der Küster und lachte. | Beruhigt Zwei mal zwei gleich vier ist Wahrheit. Schade, daß sie leicht und leer ist, Denn ich wollte lieber Klarheit Über das, was voll und schwer ist. Emsig sucht ich aufzufinden, Was im tiefsten Grunde wurzelt, Lief umher nach allen Winden Und bin oft dabei gepurzelt. Endlich baut ich eine Hütte. Still nun zwischen ihren Wänden Sitz ich in der Welten Mitte, Unbekümmert um die Enden. |
Dilemma Das glaube mir – so sagte er – Die Welt ist mir zuwider, Und wenn die Grübelei nicht wär, So schöß ich mich darnieder. Was aber wird nach diesem Knall Sich späterhin begeben? Warum ist mir mein Todesfall So eklig wie mein Leben? Mir wäre doch, potzsapperlot, Der ganze Spaß verdorben, Wenn man am Ende gar nicht tot, Nachdem daß man gestorben. | Drum Wie dunkel ist der Lebenspfad, Den wir zu wandeln pflegen. Wie gut ist da ein Apparat Zum Denken und Erwägen. Der Menschenkopf ist voller List Und voll der schönsten Kniffe; Er weiß, wo was zu kriegen ist, Und lehrt die rechten Griffe. Und weil er sich so nützlich macht, Behält ihn jeder gerne. Wer stehlen will, und zwar bei Nacht, Braucht eine Diebslaterne. | Woher, wohin? Wo sich Ewigkeiten dehnen, hören die Gedanken auf, nur der Herzen frommes Sehnen ahnt, was ohne Zeitenlauf. Wo wir waren, wo wir bleiben, sagt kein kluges Menschenwort; doch die Grübelgeister schreiben; Bist du weg, so bleibe fort. Laß dich nicht aufs neu gelüsten. was geschah, es wird geschehn. Ewig an des Lebens Küsten wirst du scheiternd untergehn. |
Unverbesserlich Wer Bildung hat, der ist empört, Wenn er so schrecklich fluchen hört. Dies »Nasowolltich«, dies »Parblö«, Dies ewige »Ojemine«, Dies »Eipotztausendnocheinmal«, Ist das nicht eine Ohrenqual? Und gar »Daßdichdasmäusleinbeiß«, Da wird mir's immer kalt und heiß, Wie oft wohl sag' ich: »Es ist häßlich, Ist unanständig, roh und gräßlich.« Ich bitt' und flehe: »Laßt es sein, Denn es ist sündlich.« – Aber nein, Vergebens ring' ich meine Hände, Die Flucherei nimmt doch kein Ende! | Strebsam Mein Sohn, hast du allhier auf Erden Dir vorgenommen, was zu werden, Sei nicht zu keck; Und denkst du, sei ein stiller Denker. Nicht leicht befördert wird der Stänker. Mit Demut salbe deinen Rücken, Voll Ehrfurcht hast du dich zu bücken, Mußt heucheln, schmeicheln, mußt dich fügen; Denn selbstverständlich nur durch Lügen Kommst du vom Fleck. Oh, tu's mit Eifer, tu's geduldig, Bedenk, was du dir selber schuldig. Das Gönnerherz wird sich erweichen, Und wohl verdient wirst du erreichen Den guten Zweck. | Sie war ein Blümlein hübsch und fein, Hell aufgeblüht im Sonnenschein. Er war ein junger Schmetterling, Der selig an der Blume hing. Oft kam ein Bienlein mit Gebrumm Und nascht und säuselt da herum. Oft kroch ein Käfer kribbelkrab Am hübschen Blümlein auf und ab. Ach Gott, wie das dem Schmetterling So schmerzlich durch die Seele ging. Doch was am meisten ihn entsetzt, Das Allerschlimmste kam zuletzt. ein alter Esel fraß die ganze Von ihm so heiß geliebte Pflanze. |
Jedermann im Dorfe kannte Einen, der sich Böck benannte. Alltagsröcke, Sonntagsröcke, Lange Hosen, spitze Fräcke, Westen mit bequemen Taschen, Warme Mäntel und Gamaschen, Alle diese Kleidungssachen Wußte Schneider Böck zu machen. Oder wäre was zu flicken, Abzuschneiden, anzustücken, Oder gar ein Knopf der Hose Abgerissen oder lose, Wie und wo und was es sei, Hinten, vorne, einerlei, Alles macht der Meister Böck, Denn das ist sein Lebenszweck. | Immer wieder Der Winter ging, der Sommer kam. Er bringt aufs neue wieder Den vielbeliebten Wunderkram Der Blumen und der Lieder. Wie das so wechselt Jahr um Jahr, Betracht ich fast mit Sorgen. Was lebte, starb, was ist, es war, Und heute wird zu morgen. Stets muß die Bildnerin Natur Den alten Ton benützen In Haus und Garten, Wald und Flur Zu ihren neuen Skizzen. | Lieder eines Lumpen I. Als ich ein kleiner Bube war, War ich ein kleiner Lump; Zigarren raucht' ich heimlich schon, Trank auch schon Bier auf Pump. Zur Hose hing das Hemd heraus, Die Stiefel lief ich krumm, Und statt zur Schule hinzugeh'n, Strich ich im Wald herum. Wie hab' ich's doch seit jener Zeit So herrlich weit gebracht! – Die Zeit hat aus dem kleinen Lump 'n großen Lump gemacht. |
Verfrüht Papa, nicht wahr, Im nächsten Jahr, Wenn ich erst groß Und lesen kann und schreiben kann, Dann krieg ich einen hübschen Mann Mit einer Ticktackuhr An einer goldnen Schnur. Der nimmt mich auf den Schoß Und sagt zu mir: Mein Engel, Und gibt mir Zuckerkrengel Und Kuchen und Pasteten. Nicht wahr, Papa? Der Vater brummt: Na, na, Was ist das für Gefabel. Die Vögel, die dann flöten, Die haben noch keinen Schnabel. | Fehlgeschossen Fritz war ein kecker Junge Und sehr geläufig mit der Zunge. Einstmals ist er beim Ährenlesen Draußen im Felde gewesen, Wo die Weizengarben, je zu zehn, Wie Häuslein in der Reihe stehn. Ein Wetter zog herauf. Da heißt es: Lauf! Und flink wie ein Mäuslein Schlüpft er ins nächste Halmenhäuslein. Krach! - Potztausend nochmal! Dicht daneben zündet der Wetterstrahl. Ätsch, rief der Junge, der nicht bange, Und streckt die Zunge aus, die lange: Fehlgeschossen, Herr Blitz! Hier saß der Fritz! | Ein Künstler auf dem hohen Seil, der alt geworden mittlerweil, stieg eines Tages vom Gerüst und sprach: Nun will ich unten bleiben und nur noch Hausgymnastik treiben, was zur Verdauung nötig ist. Da riefen alle: Oh, wie schad! Der Meister scheint doch allnachgrad zu schwach und steif zum Seilbesteigen! Ha! denkt er, dies wird sich zeigen! Und richtig, eh der Markt geschlossen, treibt er aufs neu die alten Possen, hoch in der Luft, und zwar mit Glück, bis auf ein kleines Mißgeschick. Er fiel herab in großer Eile und knickte sich die Wirbelsäule. Der alte Narr! Jetzt bleibt er krumm! So äußert sich das Publikum. |
Abschied Ach, wie eilet so geschwinde Dieser Sommer durch die Welt. Herbstlich rauscht es in der Linde, Ihre Blätter mit dem Winde Wehen übers Stoppelfeld. Hörst du in den Lüften klingend Sehnlich klagend das Kuru? Wandervögel, flügelschwingend, Lebewohl der Heimat singend, Ziehn dem fremden Lande zu. Morgen muß ich in die Ferne. Liebes Mädchen, bleib mir gut. Morgen lebt in der Kaserne, Daß er exerzieren lerne, Dein dich liebender Rekrut. | Vor Jahren waren wir mal entzweit Und taten uns manches zum Torte; Wir sagten uns beide zu jener Zeit Viel bitterböse Worte. Drauf haben wir uns ineinander geschickt; Wir schlossen Frieden und haben Die bitterbösen Worte erstickt Und fest und tief begraben. Jetzt ist es wirklich recht fatal, Daß wieder ein Zwist notwendig. O weh! die Worte von dazumal, Die werden nun wieder lebendig. Die kommen nun erst in offnen Streit Und fliegen auf alle Dächer; Nun bringen wir sie in Ewigkeit Nicht wieder in ihre Löcher. | Der Esel Es stand vor eines Hauses Tor Ein Esel mit gespitztem Ohr, Der käute sich sein Bündel Heu Gedankenvoll und still entzwei. – Nun kommen da und bleiben stehn Der naseweisen Buben zween, Die auch sogleich, indem sie lachen, Verhaßte Redensarten machen, Womit man denn bezwecken wollte, Daß sich der Esel ärgern sollte. – Doch dieser hocherfahrne Greis Beschrieb nur einen halben Kreis, Verhielt sich stumm und zeigte itzt Die Seite, wo der Wedel sitzt. |
Bald ist Hochzeit...... Gott sei dank, sie haben sich! O wie lieblich, o wie schicklich, sozusagen herzerquicklich, ist es doch für eine Gegend, wenn zwei Leute, die vermögend, außerdem mit sich zufrieden, aber von Geschlecht verschieden, wenn nun diese, sag ich, ihre dazu nötigen Papiere, sowie auch die Haushaltssachen endlich mal in Ordnung machen und in Ehren und beizeiten hin zum Standesamte schreiten, wie es denen, welche lieben, vom Gesetze vorgeschrieben, dann ruft jeder freudiglich: "Gott sei Dank, sie haben sich!" | Schon viel zu lang Hab' ich der Bosheit mich ergeben. Ich lasse töten, um zu leben, Und bös macht bang. Denn niemals ruht Die Stimme in des Herzens Tiefe, Als ob es zärtlich klagend riefe: »Sei wieder gut!« Und frisch vom Baum Den allerschönsten Apfel brach ich. Ich biß hinein, und seufzend sprach ich, Wie halb im Traum: »Du erstes Glück, Du alter Paradiesesfrieden, Da noch kein Lamm den Wolf gemieden, O komm zurück!« | Du warst noch so ein kleines Mädchen Von acht, neun Jahren ungefähr, Da fragtest du mich vertraut und wichtig: Wo kommen die kleinen Kinder her? Als ich nach Jahren dich besuchte, Da warst du schon über den Fall belehrt, Du hattest die alte vertrauliche Frage Hübsch praktisch gelöst und aufgeklärt. Und wieder ist die Zeit vergangen. Hohl ist der Zahn und ernst der Sinn. Nun kommt die zweite wichtige Frage: Wo gehen die alten Leute hin? Madam, ich habe mal vernommen, Ich weiß nicht mehr so recht von wem: Die praktische Lösung dieser Frage Sei eigentlich recht unbequem. |
Der Kobold In einem Häuschen, sozusagen – (Den ersten Stock bewohnt der Magen) In einem Häuschen war's nicht richtig. Darinnen spukt und tobte tüchtig Ein Kobold wie ein wildes Bübchen Vom Keller bis zum Oberstübchen. Fürwahr, es war ein bös Getös. Der Hausherr wird zuletzt nervös, Und als ein desperater Mann Steckt er kurzweg sein Häuschen an Und baut ein Haus sich anderswo Und meint, da ging es ihm nicht so. Allein, da sieht er sich betrogen. Der Kobold ist mit umgezogen Und macht Spektakel und Rumor Viel ärger noch, als wie zuvor. Ha, rief der Mann, wer bist du, sprich! Der Kobold lacht: Ich bin dein Ich. | Der innere Architekt Wem's in der Unterwelt zu still, Wer oberhalb erscheinen will, Der baut sich, je nach seiner Weise, Ein sichtbarliches Wohngehäuse. Er ist ein blinder Architekt, Der selbst nicht weiß, was er bezweckt. Dennoch verfertigt er genau Sich kunstvoll seinen Leibesbau. Und sollte mal was dran passieren, Kann er's verputzen und verschmieren, Und ist er etwa gar ein solch Geschicktes Tierlein wie der Molch, Dann ist ihm alles einerlei, Und wär's ein Bein, er macht es neu. Nur schad, daß, was so froh begründet, So traurig mit der Zeit verschwindet, Wie schließlich jeder Bau hienieden, Sogar die stolzen Pyramiden! | Bewaffneter Friede Ganz unverhofft auf einem Hügel sind sich begegnet Fuchs und Igel. Halt! rief der Fuchs, du Bösewicht! Kennst du des Königs Order nicht! Ist nicht der Friede längst verkündigt, Und weißt du nicht, daß jeder sündigt, der immer noch gerüstet geht! Im Namen seiner Majestät, komm her und übergib dein Fell! Der Igel sprach: Nur nicht so schnell, nur nicht so schnell! Laß dir erst deine Zähne brechen, dann wollen wir uns weitersprechen. Und also bald macht er sich rund, zeigt seinen dichten Stachelbund und trotzt getrost der ganzen Welt, bewaffnet, doch als Friedensheld. |
Unfrei Ganz richtig, diese Welt ist nichtig. Auch du, der in Person erscheint, bist ebenfalls nicht gar so wichtig, wie deine Eitelkeit vermeint. Was hilft es dir, damit zu prahlen, daß du ein freies Menschenkind! Mußt du nicht pünktlich Steuern zahlen, obwohl sie dir zuwider sind? Wärst du vielleicht auch, sozusagen, erhaben über gut und schlecht, trotzdem behandelt dich dein Magen als ganz gemeinen Futterknecht. Lang bleibst du überhaupt nicht munter. Das Alter kommt und zieht dich krumm, und stößt dich rücksichtslos hinunter ins dunkle Sammelsurium. | Ein Prall – ein Schall – dicht am Gesicht - Verloren ist das Gleichgewicht. So töricht ist der Mensch. - Er stutzt, Schaut dämisch drein und ist verdutzt, Anstatt sich erst mal solche Sachen In aller Ruhe klarzumachen. - Hier strotzt die Backe voller Saft; Da hängt die Hand, gefüllt mit Kraft. Die Kraft, infolge der Erregung, Verwandelt sich in Schwungbewegung. Bewegung, die in schnellem Blitze Zur Backe eilt, wird hier zu Hitze. Die Hitze aber, durch Entzündung Der Nerven, brennt als Schmerzempfindung Bis in den tiefsten Seelenkern, Und dies Gefühl hat keiner gern. Ohrfeige heißt man diese Handlung, Der Forscher nennt es Kraftverwandlung. | Summa summarum Sag, wie wär es, alter Schragen, Wenn du mal die Brille putztest, Um ein wenig nachzuschlagen, Wie du deine Zeit benutztest. Oft wohl hätten dich so gerne Weiche Arme warm gebettet; Doch du standest kühl von ferne, Unbewegt, wie angekettet. Oft wohl kam's, daß du die schöne Zeit vergrimmtest und vergrolltest, Nur weil diese oder jene Nicht gewollt, so wie du wolltest. Demnach hast du dich vergebens Meistenteils herumgetrieben; Denn die Summe unsres Lebens Sind die Stunden, wo wir lieben. |
Gründer Geschäftig sind die Menschenkinder, Die große Zunft von kleinen Meistern, Als Mitbegründer, Miterfinder Sich diese Welt zurechtzukleistern. Nur leider kann man sich nicht einen, Wie man das Dinge am besten mache. Das Bauen mit belebten Steinen Ist eine höchst verzwickte Sache. Welch ein Gedrängel und Getriebe Von Lieb und Haß bei Nacht und Tage, Und unaufhörlich setzt es Hiebe, Und unaufhörlich tönt die Klage. Gottlob, es gibt auch stille Leute, Die meiden dies Gewühl und hassen's Und bauen auf der andern Seite Sich eine Welt des Unterlassens. | Im Herbst Der schöne Sommer ging von hinnen, Der Herbst, der reiche, zog ins Land. Nun weben all die guten Spinnen So manches feine Festgewand. Sie weben zu des Tages Feier Mit kunstgeübtem Hinterbein Ganz allerliebste Elfenschleier Als Schmuck für Wiese, Flur und Hain. Ja, tausend Silberfäden geben Dem Winde sie zum leichten Spiel, Die ziehen sanft dahin und schweben Ans unbewußt bestimmte Ziel. Sie ziehen in das Wunderländchen, Wo Liebe scheu im Anbeginn, Und leis verknüpft ein zartes Bändchen Den Schäfer mit der Schäferin. | Die Tüte Wenn die Tante Adelheide Als Logierbesuch erschien, Fühlte Fritzchen große Freude, Denn dann gab es was für ihn. Immer hat die liebe Gute Tief im Reisekorb versteckt Eine angenehme Tüte, Deren Inhalt köstlich schmeckt. Täglich wird dem braven Knaben Draus ein hübsches Stück beschert, Bis wir schließlich nichts mehr haben Und die Tante weiterfährt. Mit der Post fuhr sie von hinnen. Fritzchens Trauer ist nur schwach. Einer Tüte, wo nichts drinnen, Weint man keine Träne nach. |
Scheu und Treu Er liebte sie in aller Stille. Bescheiden, schüchtern und von fern Schielt er nach ihr durch seine Brille Und hat sie doch so schrecklich gern. Ein Mücklein, welches an der Nase Des schönen Kindes saugend saß, Ertränkte sich in seinem Glase. Es schmeckt ihm fast wie Ananas. Sie hatte Haare wie 'ne Puppe, So unvergleichlich blond und kraus. Einst fand er eines in der Suppe Und zog es hochbeglückt heraus. Er rollt es auf zu einem Löckchen, Hat's in ein Medaillon gelegt. Nun hängt es unter seinem Röckchen Da, wo sein treues Herze schlägt. | Querkopf Ein eigner Kerl war Krischan Bolte. Er tat nicht gerne, was er sollte. Als Kind schon ist er so gewesen. Religion, Rechtschreiben und Lesen Fielen für ihn nicht ins Gewicht: Er sollte zur Schule und wollte nicht. Später kam er zu Meister Pfriem. Der zeigte ihm redlich und sagte ihm, Jedoch umsonst, was seine Pflicht: Er sollte schustern und wollte nicht. Er wollte sich nun mal nicht quälen, Deshalb verfiel er auf das Stehlen. Man faßt' ihn, stellt' ihn vor Gericht: Er sollte bekennen und wollte nicht. Trotzdem verdammt man ihn zum Tode Er aber blieb, nach seiner Mode, Ein widerspenstiger Bösewicht: Er sollte hängen und wollte nicht. | Die Kleinsten Sag Atome, sage Stäubchen. Sind sie auch unendlich klein, Haben sie doch ihre Leibchen Und die Neigung da zu sein. Haben sie auch keine Köpfchen, Sind sie doch voll Eigensinn. Trotzig spricht das Zwerggeschöpfchen: Ich will sein, so wie ich bin. Suche nur, sie zu bezwingen, Stark und findig, wie du bist. Solch ein Ding hat seine Schwingen, Seine Kraft und seine List. Kannst du auch aus ihnen schmieden Deine Rüstung als Despot, Schließlich wirst du doch ermüden, Und dann heißt es: Er ist tot. |
Empfehlung Du bist nervös. Drum lies doch mal Das Buch, das man dir anempfahl. Es ist beinah wie eine Reise Im alten wohlbekannten Gleise. Der Weg ist grad und flach das Land, Rechts, links und unten nichts wie Sand. Kein Räderlärm verbittert dich, Kein harter Stoß erschüttert dich, Und bald umfängt dich sanft und kühl Ein Kaumvorhandenseinsgefühl. Du bist behaglich eingenickt. Dann, wenn du angenehm erquickt, Kehrst du beim »stillen Wirte« ein. Da gibt es weder Bier noch Wein. Du schlürfst ein wenig Apfelmost, Ißt eine leichte Löffelkost Mit wenig Fett und vieler Grütze, Gehst früh zu Bett in spitzer Mütze Und trinkst zuletzt ein Gläschen Wasser. Schlaf wohl und segne den Verfasser! | Mein Freund an einem Sonntagmorgen Tät sich ein hübsches Rößlein borgen. Mit frischem Hemd und frischem Mute, In blanken Stiefeln, blankem Hute, Die Haltung stramm und stramm die Hose, Am Busen eine junge Rose, So reitet er durch die Alleen, Wie ein Adonis anzusehn. Die Reiter machen viel Vergnügen, Wenn sie ihr stolzes Roß bestiegen. Nun kommt da unter sanftem Knarren Ein milchbeladner Eselskarren. Das Rößlein, welches sehr erschrocken, Fängt an zu trappeln und zu bocken, Und, hopp, das war ein Satz, ein weiter! Dort rennt das Roß, hier liegt der Reiter, Entfernt von seinem hohen Sitze, Platt auf dem Bauche in der Pfütze. Die Reiter machen viel Vergnügen, Besonders, wenn sie drunten liegen. | Ihr kennt ihn doch schon manches Jahr, Wißt, was es für ein Vogel war; Wie er in allen Gartenräumen Herumgeflattert auf den Bäumen; Wie er die hübschen roten Beeren, Die andern Leuten zugehören, Mit seinem Schnabel angepickt Und sich ganz lasterhaft erquickt. Nun hat sich dieser böse Näscher, Gardinenschleicher, Mädchenhäscher, Der manchen Biedermann gequält, Am Ende selber noch vermählt. Nun legt er seine Stirn in Falten, Fängt eine Predigt an zu halten Und möchte uns von Tugend schwatzen. Ei, so ein alter Schlingel! Kaum Hat er 'nen eignen Kirschenbaum, So schimpft er auf die Spatzen. |
Hinten herum Ein Mensch, der etwas auf sich hält, Bewegt sich gern in feiner Welt; Denn erst in weltgewandten Kreisen Lernt man die rechten Redeweisen, Verbindlich, aber zugespitzt Und treffend, wo die Schwäre sitzt. Es ist so wie mit Rektor Knaut, Der immer lächelt, wenn er haut. Auch ist bei Knaben weit berüchtigt Das Instrument, womit er züchtigt. Zu diesem Zweck bedient er nämlich, Als für den Sünder gut bekömmlich, Sich einer schlanken Haselgerte, Zwar biegsam, doch nicht ohne Härte, Die sich, von rascher Hand bewegt, Geschmeidig um die Hüften legt. Nur wer es fühlte, der begreift es: Vorn schlägt er zu und hinten kneift es. | An die Redaktion der »Lustigen Blätter« Auch uns, in ehren sei's gesagt, Hat einst der Karneval behagt, Besonders und zu allermeist In einer Stadt, die München heißt. Wie reizend fand man dazumal Ein menschenwarmes Festlokal, Wie fleißig wurde über nacht Das Glas gefüllt und leer gemacht, Und gingen wir im Schnee zuhaus, War grad die frühe Meße aus, Dann konnten gleich die frömmsten Fraun Sich negativ an uns erbaun. Die Zeit verging, das Alter kam, Wir wurden sittsam, wurden zahm. Nun sehn wir zwar noch ziemlich gern Die Sach uns an, doch nur von fern (Ein Auge zu, Mundwinkel schief) Durch's umgekehrte Perspektiv. Abgeschickt 30ten Jan. 1905. | Erneuerung Die Mutter plagte ein Gedanke Sie kramt im alten Kleiderschranke, Wo kurz und lang, obschon gedrängt, Doch friedlich beieinander hängt. Auf einmal ruft sie: Ei, sieh da, Der Schwalbenschwanz, da ist er ja! Den blauen, längst nicht mehr benützten, Den hinten zwiefach zugespitzten, Mit blanken Knöpfen schön geschmückt, Der einst so manches Herz berückt, Ihn trägt sie klug und überlegt Dahin, wo sie zu schneidern pflegt Und trennt und wendet, näht und misst, Bis dass das Werk vollendet ist. Auf die Art aus des Vaters Fracke Kriegt Fritzchen eine neue Jacke. Grad so behilft sich der Poet. Du liebe Zeit, was soll er machen? Gebraucht sind die Gedankensachen Schon alle, seit die Welt besteht. |
Die Welt Es geht ja leider nur soso Hier auf der Welt, sprach Salomo. Dies war verzeihlich. Das Geschnatter Von tausend Frauen, denn die hatt' er, Macht auch den Besten ungerecht. Uns aber geht es nicht so schlecht. Wer, wie es Brauch in unsern Tagen, Nur eine hat, der soll nicht sagen Und klagen, was doch mancher tut: Ich bin für diese Welt zu gut. Selbst, wenn es fehlt an dieser Einen, Der braucht darob nicht gleich zu weinen Und sich kopfüber zu ertränken. Er hat, das mag er wohl bedenken, Am Weltgebäude mitgezimmert Und allerlei daran verschlimmert. Und wenn er so in sich gegangen, Gewissenhaft und unbefangen, Dann kusch er sich und denke froh: Gottlob, ich bin kein Salomo; Die Welt, obgleich sie wunderlich, Ist mehr als gut genug für mich. | An den »Krökelorden« Ein alter Kauz, im hohlen Baum Vertieft in seinen Tagestraum, Doch aufgewacht durch lautes Pochen Von Meister Specht und durch die Lieder Der Vöglein, ist hervorgekrochen Und spricht also: Ihr Waldesbrüder! Die Welt, das läßt sich nicht bestreiten, Hat ihre angenehmen Seiten; Sie liefert Körner, Käfer, Mäuse Zum Wohlgeschmack in jeder Weise Und geht auch wohl so bald nicht unter. Ich grüße Euch; bleibt nur hübsch munter Und macht Euch möglichst viel Pläsier. Doch ich, der alt und kalt geworden, Ich passe nicht in Euren Orden; Mir ziemt die Ruhe. Gönnt sie mir. Und als der Kauz also gesprochen, Ist er zurück ins Loch gekrochen. | Es saßen einstens beieinand zwei Knaben, Fritz und Ferdinand. Da sprach der Fritz:"Nun gib mal acht, was ich geträumt vergangne Nacht. – "Ich stieg in einen schönen Wagen, der war mit Gold beschlagen. Zwei Englein spannten sich davor, die zogen mich zum Himmelstor. Gleich kamst du auch und wolltest mit und sprängest auf den Kutschentritt, jedoch ein Teufel schwarz und groß, der nahm dich hinten bei der Hos' und hat dich in die Höll' getragen. Es war sehr lustig, muß ich sagen." – So hübsch nun dieses Traumgesicht, dem Ferdinand gefiel es nicht. Schlapp! schlug er Fritzen an das Ohr, daß er die Zippelmütz' verlor. Der Fritz, der dies verdrießlich fand, haut wiederum den Ferdinand; und jetzt entsteht ein Handgemenge, sehr schmerzlich und von großer Länge. – So geht durch wesenlose Träume gar oft die Freundschaft aus dem Leime. |
Der Sack und die Mäuse Ein dicker Sack voll Weizen stand Auf einem Speicher an der Wand. – Da kam das schlaue Volk der Mäuse Und pfiff ihn an in dieser Weise: "Oh, du da in der Ecke, Großmächtigster der Säcke! Du bist ja der Gescheitste, Der dickste und der Breitste! Respekt und Referenz Vor eurer Exzellenz!" Mit innigem Behagen hört Der Sack, daß man ihn so verehrt. Ein Mäuslein hat ihm unterdessen Ganz unbemerkt ein Loch gefressen. Es rinnt das Korn in leisem Lauf. Die Mäuse knuspern's emsig auf. Schon wird er faltig, krumm und matt. Die Mäuse werden fett und glatt. Zuletzt, man kennt ihn kaum noch mehr, Ist er kaputt und hohl und leer. Erst ziehn sie ihn von seinem Thron; Ein jedes Mäuslein spricht ihm Hohn; Und jedes, wie es geht, so spricht's: "Empfehle mich, Herr Habenichts!" | Liebesglut 1. Sie liebt mich nicht. Nun brennt mein Herz Ganz lichterloh vor Liebesschmerz, Vor Liebesschmerz ganz lichterloh Als wie gedörrtes Haferstroh. Und von dem Feuer steigt der Rauch Mir unaufhaltsam in das Aug', Daß ich vor Schmerz und vor Verdruß Viel tausend Tränen weinen muß. Ach Gott! Nicht lang' ertrag' ich's mehr! – Reicht mir doch Feuerkübel her! Die füll' ich bald mit Tränen an, Daß ich das Feuer löschen kann. 2. Seitdem du mich so stolz verschmäht, Härmt' ich mich ab von früh bis spät, So daß mein Herz bei Nacht und Tag Als wie auf heißen Kohlen lag. Und war es dir nicht heiß genug, Das Herz, das ich im Busen trug, So nimm es denn zu dieser Frist, Wenn dir's gebacken lieber ist! | Peinlich berührt Im Dorfe wohnt ein Vetter, Der gut versichert war Vor Brand und Hagelwetter Nun schon im zehnten Jahr. Doch nie seit dazumalen Ist ein Malheur passiert, Und so für nichts zu zahlen, Hat peinlich ihn berührt. Jetzt, denkt er, überlasse Dem Glück ich Feld und Haus. Ich pfeife auf die Kasse. Und schleunig trat er aus. O weh, nach wenig Tagen Da hieß es: »Zapperment! Der Weizen ist zerschlagen Und Haus und Scheune brennt.« Ein Narr hat Glück in Masse, Wer klug, hat selten Schwein. Und schleunig in die Kasse Trat er halt wieder ein. |
Spatzen und Schwalben Es grünte allenthalben. Der Frühling wurde wach. Bald flogen auch die Schwalben Hell zwitschernd um das Dach. Sie sangen unermüdlich Und bauten außerdem Am Giebel, rund und niedlich Ihr Nest aus feuchtem Lehm. Und als sie eine Woche Sich redlich abgequält, Hat nur am Eingangsloche Ein Stückchen noch gefehlt. Da nahm der Spatz, der Schlingel, Die Wohnung in Besitz. Jetzt hängt ein Strohgeklüngel Hervor aus ihrem Schlitz. Nicht schön ist dies Gebahren Und wenig ehrenwert Von einem, der seit Jahren Mit Menschen viel verkehrt. | Wankelmut Was bin ich alter Bösewicht So wankelig von Sinne. Ein leeres Glas gefällt mir nicht, Ich will, daß was darinne. Das ist mir so ein dürr Geklirr; He, Kellnerin, erscheine! Laß dieses öde Trinkgeschirr Befeuchtet sein von Weine! Nun will mir aber dieses auch Nur kurze Zeit gefallen; Hinunter muß es durch den Schlauch Zur dunklen Tiefe wallen. – So schwank ich ohne Unterlaß Hinwieder zwischen beiden. Ein volles Glas, ein leeres Glas Mag ich nicht lange leiden. Ich bin gerade so als wie Der Erzbischof von Köllen, Er leert sein Gläslein wuppheidi Und läßt es wieder völlen. | Das traurige Röslein Ein Röslein war gar nicht munter, weil es im Topfe stand, Sah immer traurig hinunter Auf die Blumen im freien Land. Die Blumen nicken und winken: »Wie ist es im Freien so schön, Zu tanzen und Tau zu trinken Bei lustigem Windeswehn. Von bunten Schmetterlingen Umgaukelt, geschmeichelt, geküßt; Dazwischen der Vöglein Singen Anmutig zu hören ist. Wir preisen dich und loben Dich, fröhliche Sommerzeit; Ach, Röslein am Fenster droben, Du tust uns auch gar zu leid.« Da ist ins Land gekommen Der Winter mit seiner Not. In Schnee und Frost verklommen, Die Blumen sind alle tot. Ein Mägdlein hört es stürmen, Macht fest das Fenster zu. Jetzt will ich dich pflegen und schirmen, Du liebes Röslein du. |
Frau Grete hatt' ein braves Huhn, Das wußte seine Pflicht zu tun. Es kratzte hinten, pickte vorn, Fand hier ein Würmchen, da ein Korn, Erhaschte Käfer, schnappte Fliegen Und eilte dann mit viel Vergnügen Zum stillen Nest, um hier geduldig Das zu entrichten, was es schuldig. Fast täglich tönte sein Geschrei: »Viktoria, ein Ei, ein Ei!« Frau Grete denkt: Oh, welch ein Segen, Doch könnt' es wohl noch besser legen. Drum reicht sie ihm, es zu verlocken, Oft extra noch die schönsten Brocken. Dem Hühnchen war das angenehm. Es putzt sich, macht es sich bequem, Wird wohlbeleibt, ist nicht mehr rührig, Und sein Geschäft erscheint ihm schwierig. Kaum daß ihm noch mit Drang und Zwang Mal hie und da ein Ei gelang. Dies hat Frau Greten schwer bedrückt, Besonders, wenn sie weiterblickt; Denn wo kein Ei, da ist's vorbei Mit Rührei und mit Kandisei. Ein fettes Huhn legt wenig Eier. Ganz ähnlich geht's dem Dichter Meier, Der auch nicht viel mehr dichten kann, Seit er das Große Los gewann. | Es tut nicht gut, wenn man im Bad Und nur die Füße draußen hat. – Auch Bählamm hat's nicht wohlgetan. Es zog ihm in den Backenzahn. – Das Zahnweh, subjektiv genommen, ist ohne Zweifel unwillkommen; doch hat's die gute Eigenschaft, daß sich dabei die Lebenskraft, die man nach außen oft verschwendet, auf einen Punkt nach innen wendet und hier energisch konzentriert. Kaum wird der erste Stich verspürt, kaum fühlt man das bekannte Bohren, das Zucken, Rucken und Rumoren, und aus ist's mit der Weltgeschichte, vergessen sind die Kursberichte, die Steuern und das Einmaleins, kurz, jede Form gewohnten Seins, die sonst real erscheint und wichtig, wird plötzlich wesenlos und nichtig. Ja, selbst die alte Liebe rostet, man weiß nicht, was die Butter kostet, denn einzig in der engen Höhle des Backenzahnes weilt die Seele, und unter Toben und Gesaus reift der Entschluß: Er muß heraus! | Der Einsame Wer einsam ist, der hat es gut, Weil keiner da, der ihm was tut. Ihn stört in seinem Lustrevier Kein Tier, kein Mensch und kein Klavier, Und niemand gibt ihm weise Lehren, Die gut gemeint und bös zu hören. Der Welt entronnen, geht er still In Filzpantoffeln, wann er will. Sogar im Schlafrock wandelt er Bequem den ganzen Tag umher. Er kennt kein weibliches Verbot, Drum raucht und dampft er wie ein Schlot. Geschützt vor fremden Späherblicken, Kann er sich selbst die Hose flicken. Liebt er Musik, so darf er flöten, Um angenehm die Zeit zu töten, Und laut und kräftig darf er prusten, Und ohne Rücksicht darf er husten, Und allgemach vergißt man seiner. Nur allerhöchstens fragt mal einer: Was, lebt er noch? Ei, Schwerenot, Ich dachte längst, er wäre tot. Kurz, abgesehn vom Steuerzahlen, Läßt sich das Glück nicht schöner malen. Worauf denn auch der Satz beruht: Wer einsam ist, der hat es gut. |
Es wird mit Recht ein guter Braten Gerechnet zu den guten Taten; Und daß man ihn gehörig mache, Ist weibliche Charaktersache. Ein braves Mädchen braucht dazu Mal erstens reine Seelenruh, Daß bei Verwendung der Gewürze Sie sich nicht hastig überstürze. Dann zweitens braucht sie Sinnigkeit, ja, sozusagen Innigkeit, Damit sie alles appetitlich, Bald so, bald so und recht gemütlich Begießen, drehn und wenden könne, Daß an der Sache nichts verbrenne. In Summa braucht sie Herzensgüte, Ein sanftes Sorgen im Gemüte, Fast etwas Liebe insofern, Für all die hübschen, edlen Herrn, Die diesen Braten essen sollen Und immer gern was Gutes wollen. Ich weiß, daß hier ein jeder spricht: Ein böses Mädchen kann es nicht. Drum hab' ich mir auch stets gedacht Zu Haus und anderwärts: Wer einen guten Braten macht, Hat auch ein gutes Herz. | Verlust der Ähnlichkeit Man sagt, ein Schnäpschen, insofern Es kräftig ist, hat jeder gern. Ganz anders denkt das Volk der Bienen. Der Süffel ist verhaßt bei ihnen, Sein Wohlgeruch tut ihnen weh. Sie trinken nichts wie Blütentee, Und wenn wer kommt, der Schnäpse trank, Gleich ziehen sie den Stachel blank. Letzthin hat einem Bienenstöckel Der brave alte Schneider Böckel, Der nicht mehr nüchtern in der Tat, Aus Neubegierde sich genaht. Sofort von einem regen Leben Sieht Meister Böckel sich umgeben. Es dringen giftgetränkte Pfeile In seine nackten Körperteile, Ja, manche selbst durch die nur lose Und leichtgewirkte Sommerhose, Besonders, weil sie stramm gespannt. Zum Glück ist Böckel kriegsgewandt. Er zieht sich kämpfend wie ein Held Zurück ins hohe Erbsenfeld. Hier hat er Zeit, an vielen Stellen Des Leibes merklich anzuschwellen, Und als er wiederum erscheint, Erkennt ihn kaum sein bester Freund. Natürlich, denn bei solchem Streit Verliert man seine Ähnlichkeit. | Stiftungslied Reicht den Becher in die Runde! Freudig preisen wir die Stunde, Wo wir uns aus fernen Landen Brüderlich zusammenfanden Zu dem schönsten Jugendbunde. Alter Neid, der uns verblieben, Alter Haß, er sei vertrieben. Wer da haßt, der lebt vergebens, Denn die Summe unsres Lebens Sind die Stunden, wo wir lieben. Wo wir irren, wo wir fehlen, Wollen wir uns nicht verhehlen, Aber heimlich und im Rücken Der Verleumdung Dolch zu zücken, Bleibe den gemeinen Seelen. Was wir denken, was wir streben, Was wir lieben und erleben, Sei vereint in diesen Stunden Doppelt schön von uns empfunden, Unsre Herzen zu erheben. Dieser Geist, der uns durchdrungen, Lebe frisch und unbezwungen Immer fort in diesen Hallen, Wenn wir längst in Staub zerfallen Und dies Lied schon längst verklungen. |
In trauter Verborgenheit Ade, ihr Sommertage, Wie seid ihr so schnell enteilt, Gar mancherlei Lust und Plage Habt ihr uns zugeteilt. Wohl war es ein Entzücken, Zu wandeln im Sonnenschein, Nur die verflixten Mücken Mischten sich immer darein. Und wenn wir auf Waldeswegen Dem Sange der Vögel gelauscht, Dann kam natürlich ein Regen Auf uns herniedergerauscht. Die lustigen Sänger haben Nach Süden sich aufgemacht, Bei Tage krächzen die Raben, Die Käuze schreien bei Nacht. Was ist das für Gesause! Es stürmt bereits und schneit. Da bleiben wir zwei zu Hause In trauter Verborgenheit. Kein Wetter kann uns verdrießen. Mein Liebchen, ich und du, Wir halten uns warm und schließen Hübsch feste die Türen zu. | Zum Geburtstag Der Juni kam. Lind weht die Luft. Geschoren ist der Rasen. Ein wonnevoller Rosenduft Dringt tief in alle Nasen. Manch angenehmes Vögelein Sitzt flötend auf den Bäumen, Indes die Jungen, zart und klein, Im warmen Neste träumen. Flugs kommt denn auch dahergerennt, Schon früh im Morgentaue, Mit seinem alten Instrument Der Musikant, der graue. Im Juni, wie er das gewohnt, Besucht er einen Garten, Um der Signora, die da thront, Mit Tönen aufzuwarten. Er räuspert sich, er macht sich lang, Er singt und streicht die Fiedel, Er singt, was er schon öfter sang; Du kennst das alte Liedel. Und wenn du gut geschlafen hast Und lächelst hold hernieder, Dann kommt der Kerl, ich fürchte fast, Zum nächsten Juni wieder. | Immerhin Mein Herz, sei nicht beklommen, Noch wird die Welt nicht alt. Der Frühling ist wiedergekommen, Frisch grünt der deutsche Wald. Seit Ururvätertagen Stehen die Eichen am See, Die Nachtigallen schlagen, Zur Tränke kommt das Reh. Die Sonne geht auf und unter Schon lange vieltausendmal, Noch immer eilen so munter Die Bächlein ins blühende Tal. Hier lieg ich im weichen Moose Unter dem rauschenden Baum, Die Zeit, die wesenlose, Verschwindet als wie ein Traum. Von kühlen Schatten umdämmert, Versink ich in selige Ruh; Ein Specht, der lustig hämmert, Nickt mir vertraulich zu. Mir ist, als ob er riefe: Heija, mein guter Gesell, Für ewig aus dunkler Tiefe Sprudelt der Lebensquell. |
Gründliche Heilung Es saß der fromme Meister Mit Weib und Kind bei Tisch. Ach, seine Lebensgeister Sind nicht wie sonst so frisch. Er sitzt mit krummem Nacken Vor seinem Leibgericht, Er hält sich beide Backen, Worin es heftig sticht. Das brennt wie heiße Kohlen. Au, schreit er, au, verdammt! Der Teufel soll sie holen, Die Zähne allesamt! Doch gleich, wie es in Nöten Wohl öfter schon geschah, Begann er laut zu beten: Hilf, Apollonia! Kaum, daß aus voller Seele Er diesen Spruch getan, Fällt aus des Mundes Höhle Ihm plötzlich jeder Zahn. Und schmerzlos, Dank dem Himmel, Schmaust er, wie 's sonst der Brauch, Nur war es mehr Gemümmel, Und lispeln tät er auch. Pohsit! Wie klingt so niedlich Des Meisters Säuselton. Er trank, entschlummert friedlich, Und horch, da schnarcht er schon. | Der Narr Er war nicht unbegabt. Die Geisteskräfte Genügten für die laufenden Geschäfte. Nur hat er die Marotte, Er sei der Papst. Dies sagt er oft und gern Für jedermann zum Ärgernis und Spotte, Bis sie zuletzt ins Narrenhaus ihn sperr'n. Ein guter Freund, der ihn daselbst besuchte, Fand ihn höchst aufgeregt. Er fluchte: Zum Kuckuck, das ist doch zu dumm. Ich soll ein Narr sein und weiß nicht warum. Ja, sprach der Freund, so sind die Leute. Man hat an einem Papst genug. Du bist der zweite. Das eben kann man nicht vertragen. Hör zu, ich will dir mal was sagen: Wer schweigt, ist klug. Der Narr verstummt, als ob er überlege. Der gute Freund ging leise seiner Wege. Und schau, nach vierzehn Tagen grade Da traf er ihn schon auf der Promenade. Ei, rief der Freund, wo kommst du her? Bist du denn jetzt der Papst nicht mehr? Freund, sprach der Narr und lächelt schlau, Du scheinst zur Neugier sehr geneigt. Das, was wir sind, weiß ich genau. Wir alle haben unsern Sparren, Doch sagen tun es nur die Narren. Der Weise schweigt. | Schreckliche Folgen eines Bleistifts II Übrigens (das muß man sagen) Was die edle Kunst betraf, Überhaupt in seinem Fache, War Pedrillo wirklich brav. So z. B. die Madonna; Ja, wer hätte das gedacht? Selbst der große Don Murillo Hätte Beßres nicht gemacht. Aber so was kostet Mühe, Und es kostet auch noch Geld, Denn Pedrillo hatte häufig Sich dazu Modell bestellt. Sie war eine Schneiderstochter Aus der Vorstadt von Madrid, Schwarze Augen, blonde Flechten Brachte dieses Mädchen mit. Als Pedrillo nun gemalet Dieses Mädchen als Porträt, War der große Don Murillo Auch nicht ungern in der Näh'. Früh vom Morgen bis zum Abend Unterweist der Meister ihn, Und Pedrillo folgte willig Stets mit eifrigem Bemühn. Aber abends, wo ein jeder Gerne seine Ruhe hat, Führt' Pedrillo jenes Mädchen Oft spazieren vor die Stadt. |
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